Nach Hofer-Sager: Die Wahrheit über muslimische Pfleger
Es ist Freitag, 11. November, im Milser Stadl der Autobahnraststätte Trofana Tyrol direkt an der A12 zwischen Imst und Landeck. Die FPÖ hat zum "Politischen Martini" geladen und fährt mit dem Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer ihr derzeit heißestes Eisen im Rennen um die Macht im Staat auf. Holz wohin man blickt: am Boden, an der Wand, im offenen Dachstuhl, dazu getrocknete Kukuruz-Kolben und Holzschlitten – das gesamte Ambiente schreit Heimatverbundenheit.
Auftritt Norbert Hofer, Tweed-Sakko, blütenweißes Hemd und eine passende Krawatte mit Schotten-Karo. "Meine lieben Freunde, ich danke euch", hebt er an. In der knapp 35-minütigen Rede, nachzusehen auf Hofers Facebook-Seite, präsentiert sich Norbert Hofer einmal mehr als das menschliche Antlitz der FPÖ. Mit ruhiger Stimme und teils spitzbübischem Grinsen bringt er seine Pointen gegen Mitbewerber Alexander Van der Bellen, gibt Anekdotisches und Programmatisches zum Besten. So weit, so Wahlkampf.
"Kennt ihr einen Moslem, der im Pflegebereich arbeitet, der bereit ist, unseren Senioren vielleicht die Windel zu wechseln? Ich kenne das nicht."
- Norbert Hofer, FP-Präsidentschaftskandidat
Am Montag, drei Tage nach der Veranstaltung, taucht ein Sager Hofers in den Sozialen Medien auf und sorgt dort für Empörung: "Da heißt es immer, wir brauchen diese Menschen im Pflegebereich. Kennt ihr einen Moslem, der im Pflegebereich arbeitet, der bereit ist, unseren Senioren vielleicht die Windel zu wechseln? Ich kenne das nicht." Für Norbert Hofer einen gelungener Übergang zum "aggressiven Zuwanderungsislamismus", vor dem er gleich im Anschluss warnt. Für kurier.at der Anlass für einen Faktencheck.
Eines gleich vorweg: Es ist kompliziert. Klaus Schwertner, Pressesprecher der Caritas Wien, verlautete noch am Montag über Twitter, dass allein bei der Caritas der Erzdiözese Wien 130 muslimische Pfleger und Pflegerinnen arbeiten.
Anderen Organisationen fällt es unterdessen nicht so leicht, Zahlen über die Religionszugehörigkeit ihrer Mitarbeiter zu kommunizieren. Der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) beschäftigt rund 12.000 Pflegekräfte in der Hauptstadt und ist damit einer der größten Arbeitgeber im Pflegebereich. Man erhebe die Religionszugehörigkeit nicht, sagt Nani Kauer, die Leiterin der Unternehmenskommunikation des KAV. Bei der großen Anzahl an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sei die Wahrscheinlichkeit schon rein statistisch sehr hoch, dass darunter Angehörige aller großen Religionen sind.
"Offensichtlich", "selbstverständlich", aber keine Zahlen
"Religion ist bei uns kein Einstellungskriterium, sondern die fachliche Eignung", erklärt auch Martina Goetz vom Wiener Hilfswerk. Mit genauen Zahlen kann sie deswegen nicht dienen, aber "selbstverständlich" würden in ihrer Organisation muslimische Pflegekräfte arbeiten. "Wir haben eine große Vielfalt an Mitarbeitern, darunter viele mit türkischem, bosnischem oder arabischem Migrationshintergrund", sagt Goetz. Man biete sogar Betreuung in der Muttersprache an, da es vor allem bei Demenzpatienten zu einem Verlust der gelernten Sprache kommen kann.
"Dass Norbert Hofer keine muslimischen Pflegekräfte kennt, kann ich mir schon vorstellen." – Für Melanie Rami von der Volkshilfe Österreich ist aber "offensichtlich, dass das ein Blödsinn ist. Da muss man ja nur in ein Krankenhaus schauen". Allerdings frage man auch bei der Volkshilfe bei der Einstellung nicht nach dem Glaubensbekenntnis und erhebe solche Daten auch später nicht.
Thomas Marecek vom Österreichischen Roten Kreuz konnte auf kurier.at-Anfrage "definitiv bestätigen, dass das Rote Kreuz Pflegekräfte mit muslimischem Glauben beschäftigt". "Wir erheben die Religionszugehörigkeit unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht, weil sie auch nichts über die Eignung als Pflegekraft aussagt", erklärte Marecek.
Ausständig sind noch die österreichweiten Zahlen der Caritas, in Wien sind – wie berichtet – 130 Pfleger und Pflegerinnen muslimischen Glaubens im Einsatz.
Anmerkung der Redaktion: In einer älteren Version dieses Artikels war eine Stellungnahme des Roten Kreuzes noch ausständig. Diese wurde nun ergänzt.
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