"Österreich wurde einst geächtet; nun werden andere österreichisch"

Dieser Schatten könnte über Europa ziehen, meint der "Economist"
Der "Economist" erklärt, warum die Hofburg-Wahl am kommenden Sonntag für Österreich und Europa so wichtig ist.

Internationale Medien warten gespannt auf den Ausgang der Hofburg-Wahl am kommenden Sonntag. Je nach Ergebnis dürften entsprechende Vorbereitungen getroffen worden sein. Falls Alexander Van der Bellen gewinnt, wird die mediale Aufmerksamkeit schwinden, Journalisten werden wieder in ihre Redaktionen zurückkehren; bei einem Sieg von Norbert Hofer werden die Vergangenheit Österreichs und Europas Zukunft im Mittelpunkt stehen. Der Economist erklärt in einem Blog-Eintrag, warum gerade die Bundespräsidentschaftswahl für Europa so bedeutend ist.

"Österreich wurde einst geächtet; nun werden andere österreichisch"
Mäßiges Interesse beim ORF-Duell

Es beginnt bereits beim Schriftsteller Thomas Bernhard, der die österreichische Mentalität mit einem Punschkrapfen ("a punch-soaked pastry with colourful icing") verglichen hat: "Außen rot, innen braun und immer ein bisschen betrunken." Besonders die Nachkriegsgeschichte der Republik illustriere diesen Punkt, schreibt das Medium. Obwohl Österreich seit 1970 durch Sozialdemokraten (rot) regiert wurde (Ausnahme: ÖVP-FPÖ-Koalitionen 2000 und 2003), war die rechtspopulistische Politik omnipräsent im Land (braun) - allerdings immer in der zweiten Reihe. Nun könnte aber die Nachfolgepartei des aus ehemaligen NSDAP-Mitgliedern bestandenen VdU (Verband der Unabhängigen), die FPÖ, zum ersten Mal den Posten an der Staatsspitze bekommen.

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"Marionette" des "überschäumenden" Parteichefs

Der Bundespräsident habe zwar nur repräsentative Aufgaben, aber für die Freiheitlichen könnte die Wahl von Norbert Hofer, der als "Marionette" des "überschäumenden" Parteichefs Heinz-Christian Strache bezeichnet wird, ein Sprungbrett für etwas Größeres sein. Vorgezogene Nationalratswahlen zum Beispiel. Aktuelle Umfragen zeigen, dass Strache nach der nächsten Wahl als Bundeskanzler von der Spitze einer blau-schwarzen Regierung lachen könnte.

Aber wie auch immer die innenpolitischen Lage sein wird, ein Triumph von Hofer würde auch die europäische Politik beeinflussen. Der FPÖler wäre das erste demokratisch gewählte, rechtspopulistische Staatsoberhaupt in Europa seit 1945 (Viktor Orban in Ungarn zählt zur nationalkonservativen Politik). "In der Vergangenheit wurde Österreich von seinen Nachbarn wegen rechtsextremer Flirts isoliert: 1986 wegen Kurt Waldheim, der als Offizier in der Wehrmacht diente; 2000 wegen der schwarz-blauen Koalition", schreibt der Economist-Blogger. Aber ein Sieg von Hofer wäre etwas ganz anderes, er würde zu "Kopfschmerzen" führen. "Mit der steigenden Zahl autoritärer Populisten am Kontinent wird es schwieriger, das kleine Land Österreich zu rügen."

"Österreich wurde einst geächtet; nun werden andere österreichisch"
ABD0052_20160617 - WIEN - ÖSTERREICH: Front National-Präsidentin Marine Le Pen (L) und der Vizebundesparteiobmann der FPÖ, Norbert Hofer am Freitag, 17. Juni 2016, nach der Pressekonferenz "Patriotischer Frühling: Kooperation für Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Europa" im Parlament in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER

Neuer Politik-Stil

Hofer vertritt zwar eine alte Partei, aber sein politischer Stil ist "irgendetwas Neues und Teil eines größeren Trends". Wie Donald Trump in den USA, Marine Le Pen in Frankreich und Geert Wilders in den Niederlanden, hat die FPÖ ihre "rassistischen Ränder der rechtsextremen Politik" abgeschliffen und versucht nun, sich mit einer "einwanderungsfeindlichen und einer Anti-Establishment-Politik" Gehör zu verschaffen, um einen politischen Umsturz zu erreichen. Diese Wahl sei nun der jüngste Test, der zeigen werde, ob es mit dieser Politik möglich ist.

Ein Sieg Hofers würde auch einen Auftrieb für Le Pen im kommenden Jahr bedeuten. Denn obwohl diese Phänomene in den einzelnen Ländern unterschiedlich auftreten, seien sie miteinander verflochten: "Österreich wurde einst geächtet; nun sind andere österreichisch."

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