Van der Bellen vs. Hofer: "Das Rennen wird knapp"

Misstrauen in die Politik prägt Wahlverhalten. Plasser warnt Hofer vor Staatskrise.

Eine "dramatische und tief reichende Vertrauenskrise zwischen der Wählerschaft und den Parteien bzw. Politikern": Das ist der tiefere Hintergrund für die Wahlentscheidungen am vergangenen Sonntag. Die Politik-Wissenschafter Fritz Plasser und Franz Sommer erhoben alarmierende Zahlen: Nur mehr jeder fünfte Wähler vertraut den Lösungsangeboten der Parteien und Parteieliten. Jeder vierte Wähler hat bereits gänzlich das Vertrauen in die Politik verloren (siehe Grafik). Die Wähler Norbert Hofers haben zu 93 Prozent wenig oder kein Vertrauen, die Wähler von Irmgard Griss misstrauen dem Polit-System zu 77 Prozent und jene von Alexander Van der Bellen zu 71 Prozent.

Van der Bellen vs. Hofer: "Das Rennen wird knapp"

Koalition in Misskredit

Ähnlich verheerend ist die Meinung von der Bundesregierung. 70 Prozent sind mit der Arbeit der Regierung wenig bis gar nicht zufrieden. Bei den Hofer-Wählern beträgt der Anteil der Unzufriedenen 84 Prozent, bei den Griss-Wählern 74 Prozent und bei den Van der Bellen-Wählern 70 Prozent.

Den stärksten Einfluss auf das Wahlverhalten dürfte die Einstellung der Wähler zu den Flüchtlingen gehabt haben, vermutet Plasser. Hier gibt es eine große Polarisierung zwischen Hofer-Wählern und Van der Bellen-Wählern (Grafik). Hofer-Wähler sagen zu 84 Prozent, Österreich könne keine Flüchtlinge mehr aufnehmen, Van der Bellen-Wähler sind zu 74 Prozent gegenteiliger Ansicht. Diese Polarisierung der Gesellschaft werde am 22. Mai, wenn die Ergebnisse der Stichwahl vorliegen, erneut zu Tage treten. Plasser: "Es wird ein knappes Rennen werden. Wir werden am Ende ein noch tiefer zerklüftetes Land sehen."

"Nuclear power"

Zu Hofers Aussagen, er werde notfalls Kanzler und Regierung entlassen, sagt der Politik-Professor: "Strache und Hofer müssen wissen, dass das Ausreizen dieser Verfassungsparagrafen nuclear power ist und zu einer Staatskrise führen kann." Plasser meint, dass sich die Österreicher von einem Bundespräsidenten "etwas mehr Aktivitäten wünschen" als in der "sehr traditionellen Amtsführung Heinz Fischers". Aber ein "zu ruppiges Auftreten" schätze die Bevölkerung bei einem Bundespräsidenten nicht.

Zum Richtungsstreit in der SPÖ sagt Plasser: "In den traditionell-ideologischen SPÖ-Milieus ist Humanität der oberste Richtwert, also Häupls Flüchtlingslinie. Dort, wo die SPÖ nur als Partei der Sozialtransfers empfunden wird, überwiegt der härtere Flüchtlingskurs." Das Pech der SPÖ sei, dass Letztere "die Mehreren sind".

Plassers Rat gegen den Siegeszug des Populismus: "Die Polit-Eliten müssen sich selbst wieder in den Alltagsrealitäten verankern."

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