Strache: "Wir haben geklatscht, aber kurz"

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache
Alexander Van der Bellen wurde als neunter Bundespräsident der Republik Österreich angelobt. Nationalratspräsidentin Doris Bures zeigte sich in ihrer Rede erfreut, die FPÖ verfolgte die Angelobung reglos. Es gebe keinen Grund für "drei Minuten Jubel".

Es ist vollbracht. Alexander Van der Bellen ist Österreichs neuer Bundespräsident - nun auch angelobt. Während sich Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) in ihrer kurzen Ansprache erfreut zeigte, dass es nun wieder einen gewählten Bundespräsidenten gibt, verfolgten FPÖ-Abgeordnete die Angelobung mit versteinerten Mienen. Die Aufregung um den teils verweigerten Applaus der Blauen für den neuen Bundespräsidenten versteht FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nicht. Seine Fraktion habe dem neuen Präsidenten sehr wohl applaudiert. "Wir haben geklatscht, aber kurz", sagt Strache. Man habe aber keinen Grund für "drei Minuten Jubel" gesehen.

Auf Facebook erklärte der freiheitliche Bundesobmann, dass man bei der Angelobung anwesend war, "um dem Amt des Bundespräsidenten Respekt zu zollen. Dass die Angelobung von Van der Bellen bei mir und uns Freiheitlichen keine frenetischen Begeisterungsstürme auslöst, ist angesichts seiner Äußerungen in der Vergangenheit und im Wahlkampf nicht verwunderlich."

Strache: "Wir haben geklatscht, aber kurz"
Angelobung

Strache glaubt außerdem, dass es im Falle einer Angelobung des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer wohl auch keinen "keinen tosenden minutenlangen Applaus der Grünen" gegeben hätte. Natürlich, schreibt er, hätte er dafür vollstes Verständnis, legt allerdings nach: "Wahrscheinlich hätte es in diesem Fall auch massive Demonstrationen und Störungen in Wien gegeben."

Jedenfalls und trotz aller Differenzen wünsche Strache Van der Bellen alles Gute für das Amt. Und ob er "tatsächlich ein unabhängig agierender Bundespräsident sein wird, wird die Zukunft zeigen – möglicherweise schon sehr bald."


Verfolgen Sie hier den LIVE-Blog zur Angelobung

Vielfalt und Kompromiss

Van der Bellen wisse die Vielfalt und den Kompromiss zu schätzen, sagte hingegen Nationalratspräsidentin Doris Bures in ihrer Rede. Es sei möglich sich in der Mitte zu treffen, auch wenn man aus unterschiedlichen Richtungen komme. Erinnert wurde Van der Bellen von Bures daran, dass all dessen Vorgänger bewusst die Tradition geprägt hätten, mit den weit reichenden Kompetenzen des Amts sorgsam umzugehen.

Bundesratspräsidentin Sonja Ledl-Rossmann warf indirekt noch einen Blick zurück auf den durchaus polemischen Wahlkampf. Nach dem Kampf der Worte brauche es jetzt die Kraft des Gemeinsamen. Vom neuen Bundespräsidenten, ihrem Tiroler Landsmann Van der Bellen, erhofft sich Ledl-Rossman, dass dieser positiv, verbindend, besonnen und gerne auch mit einer angemessenen Patriotismus agieren möge. Er solle ein verlässlicher Partner der Menschen in Österreich sein.

Gerade jetzt brauche es Orientierung, Sicherheit und eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Menschen. Angst könne hier aber nicht der Antrieb für die Gestaltung Österreichs sein. Eigenschaften wie Wagemut und Exzellenz seien es, die Großes entstehen ließen.

Strache: "Wir haben geklatscht, aber kurz"

Übrigens fehlte ein Regierungsmitglied bei der Angelobung: Wolfgang Sobotka (ÖVP). Der Ressortchef weilte noch beim Rat der EU-Innenministerrat in Malta, erklärte seine Sprecherin der APA. Sobotka werde am Nachmittag zurück in Österreich sein und könne am Abend an den Gesprächen zum Update des Regierungsprogrammes teilnehmen, hieß es weiter.

Die FPÖ lernt schnell: sprach Donald Trumps Beraterin Kellyanne Conway am Wochenende noch von „alternativen Fakten“, die von Trump-Sprecher Sean Spicer in die Welt gesetzt wurden, erträumte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Facebook heute gleich einen alternativen Ausgang der Wahl. Auf die Kontroverse hin, ob die FPÖ-Abgeordneten bei der Angelobung geklatscht hätten, schreibt er, dass sie „auch applaudiert“ hätten, dass es aber keine „frenetische(n) Begeisterungsstürme“ gegeben habe.

So weit, so gut. Dann aber verlässt Strache diese Realität und malt sich eine aus, in der Norbert Hofer gewonnen hat. „Wahrscheinlich hätte es in diesem Fall auch massive Demonstrationen und Störungen in Wien gegeben“, mutmaßt Strache. Um daraus zu schließen: „Genau hier ist der wesentliche demokratische Unterschied - im Sinne von Respekt gegenüber einem Wahlergebnis - erkennbar!“

Da wird es jetzt interessant: Strache erkennt einen wesentlichen demokratischen Unterschied im - tatsächlichen - Verhalten seiner Abgeordneten im Vergleich zu dem - von ihm imaginierten - Verhalten der Van-der-Bellen-Anhänger im Falle eines Wahlsiegs von Norbert Hofer. Das ist natürlich praktisch, wer das Verhalten eines politischen Gegners in einer alternativen Realität bewertet, die nur im eigenen Kopf existiert, tut sich sehr leicht, moralisch besser auszusteigen.

(Thomas Trescher)

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