Van der Bellen: "Mauern lösen keine Probleme"

Alexander Van der Bellen während seiner Rede im EU-Parlament
Der österreichische Bundespräsident hielt seine erste Rede außerhalb der Heimat im EU-Parlament: Nationalismus wäre ein Verlust für alle.

"Gemeinsam", betont Alexander Van der Bellen, "gemeinsam sind wir stark, gemeinsam ist unsere Stimme laut und mächtig genug, dass sie auch gehört wird."

Die Worte finden Anklang beim Publikum. Immerhin hält der österreichische Bundespräsident seine erste Rede außerhalb seiner Heimat im Europäischen Parlament, in jener Instutition, die rund 500 Millionen Menschen repräsentiert. Wie bereits am Montag in Brüssel erklärt Van der Bellen, wie im Ausland fühle er sich aber nicht. Seine Mutter war Estin, die Vorfahren seines Vaters im 18. Jahrhundert aus den Niederlanden nach Russland emigriert. Und er selbst ist Österreicher, in Wien geboren und in Tirol aufgewachsen. Deshalb sei er ein "Kind Europas", wie er sagt.

https://images.kurier.at/46-90119298.jpg/246.541.042 APA/AFP/ PATRICK HERTZOG FRANCE-EU-AUSTRIA Austria's President Alexander Van der Bellen delivers a speech during a plenary session of the European Parliament on February 14, 2017 in Strasbourg, eastern France. / AFP PHOTO / PATRICK HERTZOG

Vor den EU-Parlamentarieren legt Van der Bellen ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union ab, die er als "geglückter Verbindung vieler einzigartigen Umstände" bezeichnet. Der europäische Friede sei eine "Zivilisationsleistung", auf die man stolz sein könne. Zwischen seinen Sätzen tönt Applaus durch den Plenarsaal, einzelne Abgeordnete schmunzeln, wenn Van der Bellen den Unterschied zwischen Tiroler Dialekt und Hochdeutsch präsentiert.

Analogie zu "Hans im Glück"

Doch gerade in Zeiten, in denen manche Parteien versuchen, Europa auseinanderzudividieren, müsse man wieder mehr zusammenhalten, dem "verführerischen Populismus" eine Absage erteilen. Ansonsten ergehe es der Gemeinschaft wie "Hans im Glück", der zuerst einen großen Klumpen Gold besitzt, aber - weil er sich zu sehr beeinflussen lässt - am Ende nur noch ein Stein bei sich trägt.

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Auch Europa stehe knapp vor dem Punkt, an dem der Affekt wichtiger wird als die Vernunft. "Lassen wir uns nicht einreden, es wäre ein gutes Geschäft, wenn wir die Macht unserer großen europäischen Gemeindschaft gegen die viele kleinere Macht der vermeintlichen nationalen Souveränität eintauschen. Am Ende wäre das nämlich ein Verlust für uns alle", sagt Van der Bellen. Mit Mauern und Nationalismen löse man keine Probleme, sondern schaffe nur neue.

Dieser "freiwilligen Verzwergung und den Rückfall in die Kleinstaaterei" müsse man entschieden entgegentreten. "Können Einzelstaaten die großen Probleme besser lösen? Don't make me laugh", sagt Van der Bellen und mahnt ein schlechtes Geschäft mit den Populisten.

Zuversicht über Zweifel stellen

Als Rezept gegen den "aufkeimenden Nationalismus" schlägt der Bundespräsident ein "glasklares Bekenntnis zur EU" vor. Er sei ein dankbares Beispiel, sagt Van der Bellen, er hat die Wahl in seiner Heimat mit einer pro-europäischen Haltung gewonnen. Das goutierten nicht zuletzt die EU-Spitzen in Brüssel. Für EU-Ratspräsident Donald Tusk verkörpert der Ex-Chef der Grünen sogar die "Hoffnung für Millionen".

https://images.kurier.at/46-90119277.jpg/246.541.047 APA/AFP/PATRICK HERTZOG FRANCE-EU-AUSTRIA Austria's President Alexander Van der Bellen (L) is applauded by European Parliament's President Antonio Tajani during a plenary session of the European Parliament on February 14, 2017 in Strasbourg, eastern France. / AFP PHOTO / PATRICK HERTZOG

Und Hoffnung wäre für viele schon mal ein Anfang. Denn, so betont Van der Bellen, sei die EU auch noch unvollständig und verletztlich. Wenn 28 Staaten - "ich rede noch von 28" (Brexit, Anm.) - an einem Drehbuch schreiben, kann es schon mal zu Missverständnissen und Zweifel kommen. Als Wissenschaftler schätze er aber den "Nutzen von berechtigtem Zweifel". Nur so könne sich die EU auch weiterentwickeln. Wichtig sei allerdings, dass bei allem Zweifel die Zuversicht überwiege. "Wir Älteren dürfen nicht zulassen, dass den Jüngeren Europa gestohlen wird."

Ein Vergleich auch zum Abschluss: "Ein Baum ist schnell gefällt, aber bis er wieder wächst, brauch es lange."

Fast durchgehend Freude und Lob bis hin zu Dank erntete der Besuch von Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag in Straßburg bei denn heimischen Europaabgeordneten. Der Leiter der ÖVP-Delegation, Othmar Karas, würdigte Van der Bellen als "Mutmacher". Die SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner sprach von einer erfreulichen Visite.

Von der FPÖ-Delegation merkte Franz Obermayer an, er werde sich die Rede Van der Bellens anhören. Ob es sich, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk gemeint habe, um den "Hoffnungsträger Europas" handelt, das "stellen wir schon infrage". Ihm komme es vor, als ob das "letzte Aufgebot ins Rennen geschickt" wird. Die Grüne Delegationschefin Ulrike Lunacek sagte, Van der Bellen verbreite Zuversicht, er stehe für ein starkes Europa.

Karas: "Wir sind Europa"

Karas sagte, er wolle sich beim Bundespräsidenten "ganz bewusst für die Signale bedanken, die er mit seinem Besuch setzt. Es ist der erste Besuch außerhalb Österreichs, aber daheim in Europa". Van der Bellen mache klar, dass die EU die Antwort auf Nationalismus und Protektionismus sei. "Es ist das deutliche Signal an die Bürger: Wir sind Europa."

Regner sagte, wichtig sei der Besuch des Bundespräsidenten auch vor dem Hintergrund nationaler Wahlkämpfe in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Hier sei eine proeuropäische Einstellung nicht nur sehr wichtig, sondern entspreche auch der stillen Mehrheit der europäischen Bevölkerung.

Lunacek meinte, es gehe darum, die Gemeinsamkeiten in Europa zu stärken und nicht das Trennende. Es müsse "möglich sein, gegen Rechtspopulisten Wahlen zu gewinnen".

Die liberale EU-Abgeordnete Angelika Mlinar (NEOS) sagte, sie hoffe auf eine launige Rede des Bundespräsidenten in Straßburg "wie bei seiner Antrittsrede. Das war eine interessante Stunde".

(APA)

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