77 Milliarden: Bund steht für Länder-Haftungen gerade

Spindelegger, Nowotny: Höhere Haftungen nur noch in Irlan.
Totalrasur für nachrangige Hypo-Gläubiger nimmt erste Hürde. Notenbank-Chef warnt vor negativen Folgen.

Das Hypo-Sondergesetz ist eines der umstrittensten, das der Nationalrat je verabschiedete. Die Geister scheiden sich an der Frage: Darf der Staat mündelsichere Anlegergelder trotz öffentlicher Haftung per Gesetz für nichtig erklären?

Die Regierung, allen voran Finanzminister Michael Spindelegger, rechtfertigt das "Bail-in" damit, dass nicht nur der Steuerzahler die Hypo-Kosten tragen soll.

Die Opposition ist geschlossen gegen das Gesetz. Sie argumentiert: Das Gesetz werde mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Gericht nicht halten, der Steuerzahler werde daher letztlich doch alles zahlen müssen. Hinzu komme der Reputationsschaden für die Republik und ein finanzieller Schaden durch das Downgrading von Bundesländern und Banken. Die Opposition sagt auch, eine Insolvenz der Hypo wäre besser, weil sie rechtssicher wäre und dem Steuerzahler mehr Geld erspart hätte.

Warnungen verhallen

Gestern richtete der Chef der UNIQA-Versicherung, Andreas Brandstetter, einen Appell an die Abgeordneten, das Gesetz nicht zu beschließen. Jene 35 Millionen Euro, die die UNIQA für ihre Kunden in mündelsicheren Hypo-Papieren angelegt hat, und die nun für verfallen erklärt werden sollen, würden jeden Lebensversicherten 35 bis 40 Euro kosten. Brandstetter: „Und wenn es nur ein Euro Kundengeld wäre, würde ich darum kämpfen, denn es geht um Vertrauen.“

Vorerst verhallen die Warnungen aus der Wirtschaft ungehört. SPÖ und ÖVP winkten das Hypo-Gesetz gestern im Finanzausschuss durch. Mitte Juli soll es im Plenum beschlossen werden.

Gestern gab es im Finanzausschuss dazu ein öffentliches Expertenhearing, das Neuigkeiten zutage förderte.

77,2 Mrd. Haftungen

Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny warnte, dass das Aushebeln der Kärntner Haftung für Nachranggläubiger negative Folgen haben könnte. Die Re-Finanzierung für Länder, Gemeinden und Unternehmen, die Landes- bzw. Gemeindehaftungen in Anspruch nehmen, könnte teurer werden. Diese Warnung gab die Nationalbank dem Finanzministerium schriftlich (dem KURIER liegt das Schriftstück vor). Nowotny mahnte die Abgeordneten gestern, endlich Regeln für die Haftungen der Gebietskörperschaften zu machen. Derzeit haften Länder und Gemeinden für in Summe 77,2 Milliarden Euro (71,5 Länder; 5,6 Gemeinden). Für diese 77,2 Milliarden, die höchste Summe in Europa außer Irland, steht implizit der Bund gerade.

Fünf Bayern-MilliardenEiner der Ko-Autoren des Hypo-Sondergesetzes, der Wirtschaftsanwalt Markus Fellner, sagte im Finanzausschuss: Hauptzweck des Gesetzes sei, an weitere Milliarden der Alt-Eigentümerin Bayern LB heranzukommen. Im Prinzip geht es darum: Die Bayern LB „borgte“ der Hypo als damalige Eigentümerin Geld. Im Insolvenzfall wären die fünf Milliarden in die Insolvenzmasse gewandert. Österreich scheute die Insolvenz, will an das Geld aber trotzdem herankommen. Die Methode: Es gibt ein Gerichtsverfahren in München mit dem Ziel, dieses Geld als „Nachrangkapital“ einzustufen. Sobald das Gericht dies tut , würde das Sondergesetz zuschlagen, welches das Nachrangkapital für verfallen erklärt. „Ein Winkelzug“, sagen Kritiker. „Wir versuchen zu retten, was zu retten ist“, sagt Fellner.

en, was zu retten ist", sagt Fellner.

Debattiert wird vor allem die Vollrasur („Haircut“) für die Besitzer von so genannten Hypo-Nachranganleihen. Trotz der Kärntner Landeshaftung für diese Papiere im Volumen von nahezu 900 Millionen Euro sollen die Anleihe-Besitzer – Banken und Versicherer – ihr Investment zur Gänze verlieren.

Dieses Vorgehen der Regierung wollen die Betroffenen nicht hinnehmen und haben Klagen angekündigt. Ein Gutachten von Uni-Professor Raschauer für Finanzminister Spindelegger sagt, das Gesetz sei verfassungskonform. Raschauers Kernargument: Der „Eingriff ins Privatrecht sei durch öffentliches Interesse von erheblichem Gewicht gerechtfertigt“.

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