Unabhängigkeit? Streit zwischen Schottland und London

Schotten gehen für die Unabhängigkeit auf die Straßen
Beim Unabhängigkeitsreferendum im September 2014 hatte eine knappere Mehrheit der Schotten für den Verbleib bei Großbritannien votiert.

Die britische Regierung will kein weiteres Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands zulassen. Dies sagte Verteidigungsminister Michael Fallon am Donnerstag der Zeitung Scottish Herald. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon habe kein Mandat, eine weitere Volksabstimmung abzuhalten, sagte der konservative Minister.

"Vergessen Sie es", sagte Fallon auf die Frage, ob es in der bis 2020 laufenden Legislaturperiode ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum geben könnte. Sturgeon sagte in einer ersten Reaktion, es wäre "katastrophal", wenn London ein neuerliches Referendum blockieren würde. Die in Edinburgh regierende Schottische Nationalpartei (SNP) hat mit einem Referendum gedroht, sollte der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs die Interessen Schottlands negativ betreffen.

Die Schotten hatten beim Brexit-Referendum im Vorjahr mit großer Mehrheit für den Verbleib in der EU gestimmt. Beim Unabhängigkeitsreferendum im September 2014 hatte eine knappere Mehrheit für den Verbleib bei Großbritannien votiert.

Das Unabhängigkeitsreferendum 2014

Was ist stärker, die Bindung an London oder Brüssel? Diese Frage wollen die regierenden schottischen Nationalisten notfalls in einem weiteren Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands klären. Beim Brexit-Referendum hatten die Schotten im vergangenen Juni klar für die EU-Mitgliedschaft votiert, zwei Jahre davor mit knapperer Mehrheit für den Verbleib bei London. Ein Blick auf die Fakten.

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon sagt, sie habe den Auftrag der Schotten, sie in der EU zu halten. Hat sie recht?

Unbestreitbar ist, dass die Menschen in Schottland mit 62 Prozent gegen den Austritt aus der Union gestimmt haben. Aber Schottland ist kein Staat, sondern eher mit einem Bundesland vergleichbar. Die Londoner fordern ja auch nicht (ernsthaft) ihre Unabhängigkeit, obwohl sie mehrheitlich gegen den Brexit gestimmt haben. Die regierende schottische Nationalpartei SNP sieht das natürlich anders und spricht stets von der "schottischen Nation".

Wollen die Schotten die Unabhängigkeit?

Als sie im September 2014 abstimmten, entschieden 55 Prozent dagegen. Allerdings gab es damals einen Stimmungsumschwung direkt vor der Wahl, weil London den Schotten mehr Eigenständigkeit versprach. Unmittelbar nach dem Brexit-Votum gab es in Umfragen eine Mehrheit für die Loslösung aus dem Königreich, mittlerweile haben aber wieder die Unabhängigkeitsgegner die Oberhand erhalten. Ein weiteres Referendum wäre somit für die schottischen Nationalisten ein riskantes Unterfangen.

Sturgeon zufolge ist ein zweites Unabhängigkeits-Referendum "sehr wahrscheinlich". Kann ihre Regierung das einfach durchziehen?

Das schottische Parlament müsste wohl zustimmen, um das Referendum zu legitimieren, und da fehlen der SNP zwei Sitze zur absoluten Mehrheit. Allerdings könnte es sein, dass sich Unterstützer in den anderen Fraktionen finden. Ob London das akzeptiert, ist eine andere Frage. Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon schloss am Donnerstag aus, dass es in der bis 2020 laufenden Legislaturperiode ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum geben wird. "Es gibt keine Notwendigkeit für ein zweites Referendum", sagte er. Um Zweifel an der Legitimität des Votums zerstreuen, müsste dieses vom Londoner Unterhaus beschlossen werden, in dem Fallons Konservative eine absolute Mehrheit haben.

Sturgeon will den Brexit notfalls mit einem Veto des schottischen Parlaments verhindern. Geht das?

Das ist eine komplizierte Frage und die Experten sind sich nicht einig - auch Sturgeon selbst ist sich nicht zu 100 Prozent sicher. Grundlage wäre der Scotland Act von 1998, der Kompetenzen des schottischen Regionalparlaments bestimmt. Dort steht zwar, dass auswärtige Angelegenheiten von London geregelt werden, aber auch, dass es Sache Edinburghs sei, EU-Gesetze zu implementieren. Fest steht damit vor allem, dass es erbitterten Streit geben würde.

Könnte Schottland als unabhängiges Land überleben?

Die Rechnungen der Nationalpartei und der Unionisten unterscheiden sich grundlegend. 2014 argumentierte die SNP vor allem mit den Ölvorkommen in der Nordsee. Seitdem sind die Ölpreise aber verfallen, zudem sind die Vorräte endlich - und schon 2014 waren sich Wirtschaftsexperten nicht sicher, ob die Energiebranche ein stabiles finanzielles Fundament schaffen würde. Die Exportzahlen sind nicht allzu rosig, die Dienstleistungsbranche wächst langsamer als erhofft.

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