Braucht Österreich einen zivilen Geheimdienst?

Wolfgang Sobotka
Was hinter dem Sobotka-Wunsch steckt.

In Großbritannien heißt er MI5, in Israel kennt man ihn als Shin Bet, doch während sich die meisten EU-Nachbarn einen zivilen Nachrichten-, sprich Geheimdienst, leisten, hat Österreich keinen. Innenminister Wolfgang Sobotka überlegt das zu ändern. Ist das sinnvoll? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen:

Sind Nachrichtendienste Teil der Polizei?

Nein, in demokratischen Rechtsstaaten wird das ausgeschlossen. Der Unterschied zwischen Nachrichtendiensten und Polizei besteht – grob gesagt – darin, dass Nachrichtendienste Informationen sammeln und analysieren – im Idealfall lange vor einer konkreten Straftat. Mitarbeiter von Nachrichtendiensten haben "weiche" Befugnisse, das heißt: Sie verhaften niemanden, sie machen keine Hausdurchsuchungen, etc. Im Unterschied dazu kümmert sich die Polizei um konkrete Straftaten, die sie entweder verhindert oder im Nachhinein aufklärt.

Hat Österreich gar keine Nachrichtendienste?

Doch. Allerdings sind diese – im Unterschied zu den meisten (Nachbar-)Staaten – ausschließlich beim Militär angesiedelt. Das Heeresnachrichtenamt kümmert sich formal um die militärische Auslandsabwehr, das Heeres-Abwehramt ist der militärische Inlandsnachrichtendienst.

Braucht Österreich einen Inlandsnachrichtendienst?

Streng genommen: Ja. Experten sind ich einig, dass die gegenwärtige Struktur der Nachrichtendienste überholt, ja anachronistisch ist. So wurde etwa im Jahr 2002 das "Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung" (BVT) geschaffen. Streng genommen ist es aber eine polizeiliche Einheit. Es kümmert sich vorrangig um konkrete Straftaten. Hinzu kommt, dass das Innenministerium in einer seit Jahrzehnten bestehenden Konkurrenz zum Verteidigungsministerium steht. "Der innere Konflikt zwischen nachrichtendienstlicher und polizeilicher Arbeit besteht bis heute. Informationsaustausch und Zusammenarbeit der österreichischen Behörden und Dienste sind stark verbesserungswürdig", sagt der frühere BVT-Chef und Experte für Nachrichtendienste Gert Rene Polli.

Wie realistisch ist es, dass Österreich in näherer Zukunft einen zivilen Inlandsnachrichtendienst bekommt?

Eher unrealistisch. Die Befugnisse des BVT wurden mit dem Staatsschutzgesetz erst 2016 geändert, und schon dabei gab es erheblichen parlamentarischen Widerstand. Für einen neuen Inlandsnachrichtendienst fehlt laut dem Chef-Verhandler der SPÖ, Otto Pendl, der parlamentarische Konsens.

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