Erste Experten für Verschiebung der Hofburg-Wahl
Beim Problem mit den Wahlkarten für die Bundespräsidenten-Stichwahl gibt es weiter keine Entwarnung - im Gegenteil. Der Klebefehler kann zeitverzögert auftreten, womit eine vermeintlich korrekt abgegebene Stimme ungültig wird. Ein "neues Phänomen, mit dem wir seit gestern Abend konfrontiert werden", bestätigte das Innenministerium am Donnerstag.
Wahlkarte nachträglich ungültig
Eine betroffene Wählerin schilderte das Problem. Ihre Wahlkarte wurde am Dienstag zugestellt. Gewarnt durch die Medienberichte über die bekannten Mängel überprüfte sie sorgfältig den Zustand der Kanten: "Sie war okay," der Kleber hielt. Die Ottakringerin füllte den Wahlzettel aus, verschloss das Kuvert und unterschrieb es.
"Das gab es bisher nicht"
Im Innenministerium ist man angesichts dieser Entwicklung etwas ratlos. "Wenn ich als Wähler alles richtig gemacht habe, und die geht erst nachher auf - das gab es bisher nicht", sagte der Ministeriumssprecher. "Dafür hat auch der Gesetzgeber nichts vorgesehen, weil man damit nicht gerechnet hat." Dass Wähler im Ungewissen gelassen werden, ob sie überhaupt eine gültige Stimme abgegeben haben, "das kann's nicht sein", hält er aber fest. Einzelfall ist die Dame in Wien nicht, seit Mittwochabend würden solche Fälle ans BMI herangetragen.
BMI will von Hersteller Klärung über fehlerhafte Karten
Das Innenministerium will vom Hersteller bis Freitag Klarheit über die Ursache der Klebefehler bei den Wahlkarten. Man habe die Druckerei aufgefordert, bis Freitag ein Ergebnis vorzulegen, erklärte ein Sprecher des Ressorts. Man brauche ein "klares Ergebnis", um die Ursache für die sich selbst auflösenden Wahlkarten am Tisch zu haben, hieß es seitens des Ressorts. "Wir haben einen ganz klaren Auftrag gegeben, rund 1,5 Millionen Wahlkarten an die Gemeinden zu liefern. Jede dieser Karte hat einwandfrei ausgeliefert zu sein", sagte der Sprecher.
"Geduld langsam am Ende"
Erste schadhafte Wahlkarten im Land Salzburg
Unterdessen sind auch im Bundesland Salzburg erste schadhafte Wahlkarten aufgetaucht. In Zell am See wurden offenbar zumindest drei Kuverts für Wahlkarten mit Mängeln ausgegeben. Eines wurde bereits zurückgegeben, die beiden anderen wurden Auslandsösterreichern zugestellt und seien bereits auf dem Postweg zurück in den Pinzgau, berichtete der ORF Salzburg am Donnerstagnachmittag.
Anton Unterluggauer von der Stadtgemeinde Zell am See bestätigte gegenüber Radio Salzburg die drei fehlerhaften Wahlkuverts für die Wiederholung der Präsidentschaftsstichwahl am 2. Oktober. In Zell am See habe man die 1.000 Wahlkuverts stichprobenartig überprüft und dabei nichts gefunden, sagte Unterluggauer. Die Besitzer der drei fehlerhaften Wahlkarten hätten sich aber bei der Gemeinde gemeldet. Ein Kuvert wurde bereits zurückgegeben. Die beiden anderen erhielten Auslandsösterreicher. Diese Kuverts seien aber schon wieder auf dem Weg zurück nach Salzburg, so Unterluggauer.
Erste Experten für Verschiebung der Wahl
Wegen der fehlerhaften Wahlkarten haben sich nun erste Experten für eine Verschiebung der Wahl ausgesprochen. Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht laut Standard einen "möglichen Systemfehler" - und plädierte für einen späteren Wahltermin. Auch sein Kollege Theo Öhlinger kann sich eine Verschiebung vorstellen, Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk sieht hingegen rechtliche Hindernisse.
Mayer meinte gegenüber dem Standard, er frage sich, "warum die Wahl nicht verschoben wird." Da die Annahme nahe liege, dass noch mehr Wahlkartenkuverts Fehler aufweisen, "renne man sehenden Auges in ein riesen Problem - und das bedeutet ein enormes Risiko für eine erneute Wahlanfechtung."
"Fatale Situation"
Auch Öhlinger sprach von "einer fatalen Situation". Wenn die schadhaften Kuverts anzahlmäßig "in die Hunderte" gingen, müsse den betroffenen Wählern ein Tausch ermöglicht werden. Sollte der Schaden gar "in die Tausende" gehen, sei eine korrekte Wahl nicht durchführbar - und dann stünde auch für ihn eine Wahlverschiebung im Raum. Einfach sei dies nicht, sagte er, denn es gebe keine rechtliche Vorschrift, die sich auf eine mögliche Wahlverschiebung bezieht.
Es müsse aber eine solche Verschiebung dann möglich sein, wenn die Wahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. So wäre es beispielsweise "absurd", wenn etwa durch Murenabgänge mehrere Wahllokale unzugänglich wären und die Wahl wird dennoch durchgeführt. Gesetzlich ist derartiges laut Funk aber nicht geregelt.
Das sieht auch das Innenministerium ähnlich. "Es gibt keine rechtliche Handhabe, die Wahl zu verschieben", sagte der Leiter der Wahlabteilung, Robert Stein, dem Sender ATV. Eine Bundespräsidentenwahl könne nur im Fall des Todes eines Bewerbers verschoben werden, und hier "nach den Buchstaben des Gesetzes" auch nur der erste Wahlgang.
Die Stimme der 32-jährigen Dornbirnerin Beate Rhomberg für die Bundespräsidentenstichwahl am 2. Oktober ist verloren - und das aufgrund eines schadhaften Kuverts für ihre Wahlkarte. Da sie die Wahlkarte bereits unterzeichnet hat, kann sie das Kuvert nicht mehr umtauschen. Sollte Rhomberg die Wahlkarte überhaupt abgeben, wird ihre Stimme ungültig sein.
Ein Umtausch ist durch die gesetzlichen Bestimmungen ausgeschlossen. Diese sehen vor, dass nur solche Wahlkarten an die Gemeinde retourniert werden können, "die noch nicht zugeklebt und bei denen die eidesstattliche Erklärung noch nicht unterschrieben wurde". Rhomberg hingegen füllte die Wahlkarte vorschriftsgemäß aus, klebte das Kuvert zu und ließ es anschließend noch einen Tag zu Hause liegen. Erst am Tag nach dem Schließen ging es an der Seite auf, und auch die Lasche, mit der sie die Wahlkarte geschlossen hatte, löste sich.
Sie fühlt sich um ihre Stimme betrogen. "Es ist ein Wahnsinn, das Ganze ärgert mich unheimlich", versteht die Dornbirnerin die Welt nicht mehr. Es sei unglaublich, dass solche Fehler passieren. Die Briefwahl an und für sich hält sie aber für eine gute Sache. "Weil ich zumindest theoretisch hätte wählen können, obwohl ich am Wahltag im Urlaub sein werde", so Rhomberg. Die ausgefüllte Wahlkarte samt Kuvert hat sie immer noch zu Hause, die Abgabe hat ihren Sinn verloren. Wen sie gewählt hat, bleibt das (Wahl-)Geheimnis der 32-Jährigen. Sollte die Stichwahl anders als von ihr gewünscht ausgehen, ist das Ergebnis alleine aufgrund ihres Falls nicht anfechtbar. "Das wäre es nur, wenn meine Stimme relevant wäre, das Ergebnis also extrem knapp wäre", weiß Rhomberg nach ihren Recherchen.
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