"Bezahlte Verschleierung": Kritik an Sebastian Kurz

Sebastian Kurz
Vertreter aus Bosnien und Kosovo können die Aussage des Außenministers, dass Frauen dafür bezahlt werden, voll verschleiert auf die Straße zu gehen, nicht nachvollziehen. Dafür gebe es keine Beweise, sagt auch ein Experte.

Politische und religiöse Einrichtungen in Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo haben die Aussage von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), in Sarajevo und Pristhina würden Frauen für die Vollverschleierung bezahlt, zurückgewiesen. Das berichtete das Internetportal Balkaninsight am Mittwochabend. Aus dem Außenministerium in Wien hieß es, "offizielle Stellen" hätten Kurz die Information bestätigt.

"In Sarajevo oder Pristina werden zum Beispiel Frauen dafür bezahlt, voll verschleiert auf die Straße zu gehen, um das Straßenbild zu ändern." (Kurz)

Kurz hatte in einem Interview mit dem deutschen Handelsblatt am Montag vor einem wachsenden Einfluss der Türkei und Saudi-Arabiens auf dem Westbalkan gewarnt. Konkret sagte der ÖVP-Chef gegenüber der Zeitung: "In Sarajevo oder Pristina werden zum Beispiel Frauen dafür bezahlt, voll verschleiert auf die Straße zu gehen, um das Straßenbild zu ändern."

Der bosnische Sicherheitsminister Dragan Mektic kann die Behauptung Kurz' nicht nachvollziehen. "Ich habe keine Informationen darüber", sagte Mektic gegenüber dem Lokalsender N1 am Dienstag. Er werde aber die österreichischen Sicherheitsbehörden kontaktieren, um herauszufinden, woher diese Annahme stamme.

Bosnien: Wahlkampfrhetorik

Auch der Islamischen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina sind nach eigenen Angaben keine Fälle bekannt, bei denen Frauen für Vollverschleierung bezahlt werden. In eine Aussendung heißt es laut Balkaninsight (BIRN), die Gemeinschaft erkenne die Sorgen des österreichischen Außenministers an, aber das Beispiel sei unangemessen. Für sie handelt es sich dabei allein um Wahlkampfrhetorik vor der Nationalratswahl.

Im Kosovo zeigte sich unterdessen die Vizevorsitzende der Fakultät für Islamische Studien in Prishtina, Besa Ismaili, erstaunt über die Aussage Kurz'. Der Behauptung würden keine Beweise zugrunde liegen, so Ismaili gegenüber BIRN. Für sie ist die Aussage "Teil einer Islamophobie-Kampagne europäischer Rechter".

Aus dem Außenministerium in Wien hieß es am Donnerstag: "Bei seinen zahlreichen Besuchen in der Region wurde ihm (Kurz, Anm.) von offiziellen Stellen immer wieder bestätigt, dass Frauen für das Tragen von Vollverschleierung von Ländern des arabischen Raums bezahlt werden." Wichtig sei es, hieß es weiter, "den Gesamtkontext zu sehen, der in der Gefahr einer zunehmenden Islamisierung der Region besteht".

Experte: Behauptungen des "Volksmunds"

Laut dem Balkanexperten Vedran Dzihic vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) handelt es sich bei dieser Behauptung, um etwas, dass sich schon seit Jahren im "Volksmund" in Bosnien-Herzegowina erzählt wird. Bis heute gebe es "keine einzige ernsthafte wissenschaftliche oder sonstige objektive Auseinandersetzung, die das belegen könnte", erklärte Dzihic am Donnerstag. Für ihn entsprechen auf jeden Fall "solche eindeutigen, starken politischen Ansicht nicht der Realität in Bosnien". Auch Dzihic ortet Wahlkampfrhetorik.

Allerdings, betonte der Balkanexperte, war die Vollverschleierung im bosnischen Islam, "der eine traditionelle Ausprägung ist", nie vorhanden. Erst mit dem Krieg (1992-95) sei durch ausländische Mujaheddin und später durch das finanzielle Engagement arabischer Staaten in dem Westbalkanland deren Formen des Islam nach Bosnien gekommen, erklärt Dzihic. Diese radikal-islamischen Elemente, die noch immer in der Minderheit seien, würden von den bosnischen traditionellen Muslimen jedoch "kritisch beäugt".

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