Blümel: ORF soll "Partner" der Privaten werden

Gernot Blümel (rechts) bei der Angelobung
Blümel will schon bald ein "Leistungsschutzrecht" angehen. Mit Inhalten und Vermarktung soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk Partner für die Privaten werden. In einem Jahr könnte es zu einer ORF-Reform kommen. Kultur soll "Asset" beim EU-Ratsvorsitz sein.

Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) will den ORF als "Partner für die Privaten" positionieren. Konkrete Aussagen zu künftigen Finanzierungs- und Fördermodellen für die Branche macht er nicht, sondern verweist im APA-Interview wiederholt auf die Enquete im Frühling. In seinem neuen Bereich sieht er jede Menge Baustellen, denn "die letzten vier Jahre ist medienpolitisch nichts weitergegangen".

"Es gibt kaum einen strukturierten medienpolitischen Diskurs", so Blümel. "Um das zu ändern, braucht es einen Anstoß und eine gut durchdachte Enquete." Die Zeit dränge: "In fünf Jahren brauchen wir uns wahrscheinlich keine Gedanken mehr zu machen, wo wir als Politiker in Österreich im digitalen Raum so etwas wie einen Hebel haben, um österreichische Identität sicherzustellen. Dann ist es wahrscheinlich vorbei."

Als Hüter der österreichischen Identität sieht sich gerne der öffentlich-rechtliche ORF. Was genau soll in einem "weiterentwickelten" öffentlich-rechtlichen Auftrag stehen - oder anders gefragt: Was stimmt nicht mit dem Text im derzeitigen Gesetz? "Mich stört nicht einmal so viel an der Formulierung", antwortet Blümel. "Mich stört ein wenig mehr die Interpretation und das Leben dessen." Hier kommt die Partnerrolle des ORF, wie sie Blümel vorschwebt, zum ersten Mal ins Spiel, offenbar auf der Inhaltsebene: "Es kann nicht so sein, dass in einer Zeit medienpolitisch großer Herausforderungen ein Medienkonzern, der fast 600 Mio. Euro pro Jahr von den Österreichern bekommt und damit auch österreichische Inhalte produziert, die ausschließliche Möglichkeit hat, diese auch zu nutzen." Das jedenfalls könnten Politiker, die "Pluralität haben möchten", nicht wollen.

Gemeinsame Vermarktung

"Partner" soll der ORF den Privaten auch bei der Online-Werbevermarktung sein. Blümel skizziert einmal mehr seine "Idee einer gemeinsamen Vermarktungsplattform" folgendermaßen: "Man könnte dem ORF die Möglichkeit geben, im digitalen Raum alles zu tun, was er tun könnte. Dafür vermarktet er aber Private mit, auf einer gemeinsamen Plattform. Und ein Teil des Geldes wird vielleicht als Digitalisierungsförderung an diese Privaten umgeleitet. Das wäre "ein selbsterhaltungsfähiges, nachhaltiges Medienfinanzierungssystem".

Zu wenig öffentliches Geld für die Branche insgesamt gibt es nach Blümels Ansicht nicht. "Circa eine Milliarde" stehe zur Verfügung, doch "Ist es treffsicher genug? Oder muss man die Finanzierungsströme ein wenig umleiten?" Ähnlich klingt Blümel, wenn man ihn nach einer von den Zeitungsverlegern heftig herbeigesehnten Erhöhung der Presseförderung fragt. Er verweist auf das Motto im Regierungsprogramm, "Geld für Wandel". "Wir haben nichts davon, wenn wir uns darauf konzentrieren, in Bereiche zu investieren, weil sie weniger am Markt erwirtschaften. Ziel muss sein, den Medienmarkt über Förderungen so aufzustellen, dass er in seiner Pluralität selbsterhaltungsfähig ist. Das heißt, sich im digitalen Bereich besser aufstellen." Eine generelle Haushaltsabgabe schließt Blümel jedenfalls aus, nicht zuletzt, weil die Regierung ja eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote anstrebe.

Kooperationsansätze

Blümel vermeint, bei ORF und Privaten einen Sinneswandel zu erkennen, der partnerschaftliche Modelle nicht von vornherein unmöglich macht. Jahrelang hätten einander ORF-General Alexander Wrabetz und ProSiebenSat.1Puls4-Chef Markus Breitenecker auf Podiumsdiskussionen gegenseitig eingeschenkt (Blümel: "Da hast du gewusst: Das ist Kapfenberg gegen Simmering."). Heuer habe er bei einem Event erlebt, "dass beide das Wort Kooperation in den Mund genommen haben. Ein Meilenstein."

Einen "Deal" mit der FPÖ, wonach die Blauen den Stiftungsratsvorsitzenden und die ÖVP den ORF-Vorstand besetzen dürfen, stellt Blümel in Abrede: "Es gibt ein Koalitionspapier. Wenn es vereinbart wäre, müsste man es ja auch wo hinschreiben." Was die Bestellung der neuen Regierungs-Stiftungsräte angeht, lässt er sich noch nicht in die Karten blicken. Die Regierung müsse ja auch die Mitglieder auf Vorschlag der Parlamentsparteien entsenden, und "von der Liste Pilz ist bis jetzt noch niemand an mich herangetreten. Die Frage ist, wie schnell man sinnvollerweise klare Verhältnisse im Aufsichtsgremium des größten österreichischen Medienkonzerns schaffen will. Ich habe da eine klare Meinung, möchte aber vorher mit den relevanten Personen, die nominieren, sprechen."

Etwa ein Jahr für Reform

Den Zeitplan für die großen Vorhaben kann Blümel derzeit nur schwer einschätzen. "Die Enquete im Frühjahr ist das einzige, was ich mit Sicherheit sagen kann." Entsteht auf Basis der Ergebnisse das neue ORF-Gesetz, rechnet er grob mit "einem Jahr" für die Gesetzeswerdung. Somit wäre die ORF-Reform frühestens im Frühling, Sommer 2019 fertig. Die Vermarktungsplattform erforderte wettbewerbsrechtliche und technische Überlegungen und den "Konsens der verschiedenen Player". "Meine Vision wäre, es bis Ende der Legislaturperiode am Laufen zu haben."

Schnell angehen will Blümel auch Fragen des Leistungsschutzrechts und der medienrechtlichen Behandlung von Online-Plattformen - letzteres sei "eines der wirklich großen Themen": "Ich glaube nicht, dass es eins zu eins möglich und auch wirklich fair ist, Aggregatoren und Plattformen unter das Medienrecht zu stellen. Aber in Teilen wird man das tun müssen, wenn man möchte, dass klassische Medien eine Überlebensfähigkeit haben. Wir befinden uns im digitalen Raum, auch wenn das Internet nichts Neues ist, noch ein bisschen im Wilden Westen, wo rule of law noch nicht die Regel ist."

EU-Minister hat nur um Kultur-Ressort gekämpft

Blümel hat vielfältige Aufgaben: Zu seinen Agenden zählen neben der EU und Medien auch Kunst und Kultur, zudem ist er für Regierungskoordination zuständig. Vierteilen kann er sich nicht, doch wie er sein Zeitbudget aufteilen wird, hat er noch keine Ahnung. Sicher ist: "Kultur war der einzige Bereich, um den ich wirklich gekämpft habe", sagt er im Interview mit der APA.

Ein Gutteil seiner Zeit werde allerdings im nächsten Jahr die Vorbereitung und Durchführung des EU-Ratsvorsitzes in Anspruch nehmen, "worüber ich mich auch sehr freue, weil mir das Europapolitische schon ein bisschen in der Wiege liegt. Ich war lange in der europäischen Jugendpolitik, eine Zeit lang in Brüssel und fünf Jahre im Außenministerium tätig." Blümel sieht den Vorsitz als Chance, die proeuropäische Ausrichtung dieser Bundesregierung unter Beweis zu stellen.

"Kunst und Kultur ist eines der Assets in dieser Phase, wo Europa bei uns zu Gast ist. Österreich ist bei Kultur Weltspitze." Und damit will Blümel auch "ordentlich Punkte machen". Bei den begleitenden Kulturveranstaltungen möchte er das Fin de Siecle, das 2018 mit den 100. Todestagen von Klimt, Schiele, Kolo Moser und Otto Wagner international im Blickpunkt steht, mit zeitgenössischer österreichischer Kunst kombinieren und in die Auslage stellen. So wie die Wiener Moderne einst Weltruf genossen habe, so möchte er Österreich "in Analogie zu damals" als moderne, in die Zukunft orientierte Kulturnation positionieren.

Angst vor Kulturkürzungen

Grundsätzlich gelte: "Ich werde möglichst alle Kontakte, die ich zum Finanzminister habe, nutzen, um möglichst viel für die Kultur herauszuholen." Die Befürchtungen der Kulturszene gehen freilich in die andere Richtung: Einsparungen könnten vor allem kleine, potenziell regierungskritische Kulturinitiativen treffen. "Es geht uns nicht darum, politische Wertungen vorzunehmen. Nicht Politik in die Kunst und Kultur, sondern Politik für die Kunst und Kultur ist meine Devise: Rahmenbedingungen schaffen, damit Künstlerinnen und Künstler möglichst erfolgreich sein können." In den nächsten beiden Jahren werde es allerdings budgetär kaum Spielraum geben, gibt Blümel zu, von automatischer Valorisierung gar nicht zu reden. "Für die Phase danach gibt es schon Überlegungen, wo man was tun kann. Das verhandeln wir aber intern."

Der neue Kulturminister betont, seine SP-Vorgänger Josef Ostermayer und Thomas Drozda zu schätzen und viele ihrer Initiativen - vom Weißbuch für die Weiterentwicklung der Bundesmuseen bis zur Gründung des Hauses der Geschichte Österreich (HGÖ) - prüfen zu wollen. "Ich halte nichts davon zu sagen: Alles, was meine Vorgänger gemacht haben, ist schlecht. Die Frage ist: Wo gibt es Verbesserungspotenzial?" Auch den von Drozda eingesetzten Kunstsektionschef Jürgen Meindl kenne und schätze er: "Insofern wird es da keine Probleme geben." Meindl bekommt freilich mit dem aus der Präsidialdirektion des Verfassungsgerichtshofs geholten Dieter Kandlhofer als Generalsekretär im Bundeskanzleramt einen neuen unmittelbaren Vorgesetzten mit Weisungskompetenz.

Gretchenfrage bei Österreich-Quote

In welche Richtung es bei der im Regierungsprogramm angekündigten "Neuaufstellung der Bundestheaterholding" gehen soll, ist jedoch noch ebenso ungewiss wie bei der Stärkung des Zusammenspiels von Bund und Ländern oder bei der angekündigten Prüfung einer "Österreich-Quote" bei öffentlich-rechtlichen bzw. geförderten Medien. Wie weit man da gehen könne, sei "de facto die Gretchenfrage", so Blümel.

Einladungen zum "strukturierten Diskurs" sollen schon bald die Kultursprecher der anderen Parlamentsparteien ebenso erhalten wie die Kulturreferenten der Landesregierungen. Dass der neue Kulturminister Philosophie studiert hat, wird seinen unmittelbaren Niederschlag finden: "Ich möchte einen Dialog mit Philosophen hier im Bundeskanzleramt aufbauen. Davon hat es in den letzten Jahrzehnten sicher zu wenig gegeben." Und für die jetzt weißen Wände im Bundeskanzleramt lässt er ein Konzept der Bespielung mit zeitgenössischer Kunst ausarbeiten - "als ein erster Schritt und als Symbol für die Öffnung des Hauses".

Bei der Frage nach seinen persönlichen Vorlieben als Kulturkonsument lässt sich Gernot Blümel dagegen gar nicht in die Karten schauen. Da antwortet er lieber mit einem theoretischen Exkurs: "Mein persönlicher Zugang ist ein doppelter. Zum einen die persönliche ästhetische Empfindung - was löst die aus? Das ist bei mir am ehesten in der Musik und der Oper der Fall. Und der zweite Bereich kommt aus meiner Vorbildung: Der ideengeschichtliche Zugang zu Kunst ist der, der mich am meisten fasziniert. Der Prozess der abendländischen Geistesgeschichte und die Entwicklung der Erkenntnistheorie spiegelt sich nicht nur in den Gesellschaftsformen, sondern auch in der Ausformung der Kunst wider."

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