Ausbau-Mangel kommt Eltern teurer

Schule auch am Nachmittag, mit längeren Lernpausen und professioneller Betreuung soll die Leistungen der Schüler verbessern und die Familien so entlasten
Ganztagsschulen wären ein Rezept gegen teure Nachhilfe. Allein, es gibt zu wenige.

Eltern zahlen immer mehr für Nachhilfe. 119 Millionen Euro wird in diesem Jahr von Familien dafür investiert werden, damit die Kinder nicht durchfallen oder den Lernstoff vertiefen.

Nachhilfe gibt es für Schüler aller Schultypen, sogar schon für Volksschüler. Doch nicht alle Familien werden sich die Privatlehrer für ihren Nachwuchs leisten können, klagt Grünen-Chefin Eva Glawischnig. "Das ist ungerecht. Wer weder das finanzielle Vermögen noch das soziale Kapital hat, mit dem Kind zu lernen, dessen Kinder haben einen Nachteil. Weil wir ein System haben, bei dem der Aspekt der Lernhilfe privatisiert ist und von den Schulen dorthin abgeschoben wurde."

Ganztagsschule

Tatsächlich wird nicht einmal jeder dritte Acht- bis Zehnjährige nachmittags institutionell betreut (siehe Artikel unten). Weniger Nachfrage nach Nachhilfe gebe es teilweise in Wien, wo Gratis-Nachhilfe erstmals angeboten wird, als auch an Standorten mit "verschränkten Ganztagsschulen", sagt Glawischnig. Unter verschränkt sind ganztägige Schulformen gemeint, bei der einander Unterrichts-, Lern- und Freizeitphasen mehrmals im Laufe eines Tages abwechseln. "Dort gibt es signifikant weniger Nachhilfebedarf. Das ist für mich ein großer Impuls, dieses Programm des Ausbaus ganztägiger Schulen verstärkt in Angriff zu nehmen."

Der Ausbau verlaufe aber nur schleppend, kritisiert die Grünen-Chefin. 400 Millionen Euro, je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern, wurden bereits 2011 für den Ausbau vereinbart – jedoch nur zu einem kleinen Teil von den Ländern abgeholt. Im vergangenen Jahr wurde daher die Frist bis 2018 verlängert und die Investitionssumme auf insgesamt 800 Millionen Euro fixiert.

Es gebe aber noch eine andere Hürde: "Das Problem für die Länder und Gemeinden ist die Finanzierungssicherheit", erklärt Glawischnig. Die gebe es nur bis 2018, und da nur für den Ausbau ganztägiger Schulformen.

Für das Personal schießt der Bund maximal 9000 Euro den Gemeinden als Schulerhalter zu – zu wenig Geld für die klammen Budgets mancher Gemeinden, wird dort moniert. Glawischnig fordert, den Gemeinden die finanziellen Zusagen sofort zu geben, und nicht erst nach den Verhandlungen zum Finanzausgleich, der erst Ende 2016 abgeschlossen wird. "Eigentlich verstehe ich überhaupt nicht, warum man den Schulausbau nicht forciert, schließlich sind das konjunkturwirksame Projekte. Da geht es um 800 Millionen Euro."

Das Bildungsministerium dementiert, dass der Ausbau zu langsam erfolge. Von den insgesamt 280 AHS-Unterstufen-Gymnasien würden im kommenden Schuljahr bis zu 248 Standorten ganztägige geführt.

Der Großteil dürfte allerdings nur in Form von Nachmittagsbetreuung stattfinden, und nicht in der teureren verschränkten Form. Und auch bei den Pflichtschulen (Neue Mittelschule, NMS) würden im kommenden Jahr rund 40 Prozent ganztägig geführt – wie viele davon in verschränkter Form, ist unklar. Genaue Zahlen liegen dem Ministerium auf Anfrage des KURIER wenige Tage vor Schulstart nicht vor.

Nicht nur die Grünen, auch ein Großteil der Eltern wünschen sich mehr ganztägige Betreuungsangebote für ihre Söhne und Töchter.

In einer Umfrage für das Familienministerium, die dem KURIER vorliegt, sagten zwei Drittel der befragten Mütter und Väter, dass es nicht genügend Ganztagsschulplätze in ihrer Wohnumgebung gebe (siehe Grafik). Fast 57 Prozent gaben an, es mangle an Tageseltern. 43 Prozent befanden, es gebe zu wenig Hortplätze.

Kein Wunder. Während etwa 98 Prozent aller Fünfjährigen in einem Kindergarten untergebracht sind, ist das Angebot für Schüler eher rar. Nicht einmal jeder Dritte Acht- bis Zehnjährige wird nachmittags institutionell betreut, besucht also einen Hort, eine Ganztagsschule oder eine schulische Nachmittagsbetreuung.

"Da besteht großer Nachholbedarf", befindet daher auch Familienministerin Sophie Karmasin im KURIER-Gespräch. "Es muss ein starker Fokus auf den Ausbau der schulischen Nachmittagsbetreuung und der Ganztagsschulen gelegt werden", fordert die Ressortchefin – und betont, dass auch die Qualität noch um einiges gesteigert werden müsse.

Laut Umfrage ist es den Eltern etwa wichtig, dass die Hausübung zur Gänze in der Schule, im Hort oder bei den Tageseltern erledigt wird. Aber nur 61 Prozent gaben an, dass dies der Fall sei. Oft wird nur ein Teil der Hausübung gemacht. Auch die Qualität des Mittagessens ist aus Sicht der Eltern (und der Kinder) in vielen Institutionen verbesserungswürdig.

Das gilt detto für das Angebot im Sommer. Mehr als die Hälfte der Schüler werden im Sommer nicht außerhalb der Familie betreut. Laut Karmasin aber nicht (nur), weil es Mütter, Väter und der Nachwuchs so wollen, sondern weil es an Unterbringungsmöglichkeiten fehlt.

Dass die Schulen im Sommer neun Wochen geschlossen sind, versteht die Ministerin nicht: "Man sollte sie für die Betreuung von Schulkindern nutzen."

Vereine einbinden

Wer soll sich um die Kids kümmern? "Nicht die Lehrer", stellt Karmasin klar. "Man sollte die Räume zum Beispiel Vereinen oder privaten Initiativen zur Verfügung stellen."

Schon derzeit beschäftigt sich eine ministerielle Arbeitsgruppe mit dem Thema. Im Oktober wird sich eine vom Bildungs- und Familienressort initiierte Konferenz damit befassen, wie außerschulische Kinder- und Jugendinitiativen mit den Schulen verstärkt kooperieren können.

"Mein Ziel ist, dass schon im nächsten Sommer Schulen für die Ferienbetreuung von Kindern genutzt werden können. Sicher nicht flächendeckend in ganz Österreich, aber einige Pilotprojekte sollte es schon geben."

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