Faßmann: "Lehrerinnen sollen kein Kopftuch tragen"

Interview mit Heinz Faßmann. Seit 18. Dezember 2017 ist er Bundesminister für Bildung der Republik Österreich. Wien, am 22.12.2017.
Im KURIER-Interview erklärt Heinz Faßmann, wie er das Bildungssystem umkrempeln will.

Wann wurden Sie gefragt, ob Sie Minister werden wollen?

Heinz Faßmann: Es war keine Angelegenheit von wenigen Minuten, sondern rechtzeitig, sodass ich einige Tage nachdenken und mit meiner Familie besprechen konnte. Man muss überlegen: Ändert man ein ruhiges Leben gegen ein unruhiges?

Nicht alle Ihre Vorgänger waren erfolgreich. Was heißt das für Sie?

Wenn ich das Amt begonnen hätte mit der Gewissheit, nicht reüssieren zu können, hätte ich den Job sicher nicht angetreten. Ich hoffe, dass ein anderer Stil, den ich mitbringe, auch etwas anderes bewirken kann.

Fürchten Sie Sich nicht vor dem neuen Superministerium, das erstmals vom Kindergarten bis zur Uni alles verwalten wird?

Faßmann: "Lehrerinnen sollen kein Kopftuch tragen"
Schildertausch bildungsministerium amtsübergabe minister faßmann schilder

Das hat mich weniger geschreckt, ich sehe das als Chance für das Bildungswesen, wo viele Probleme an Schnittstellen, bei Bildungsübergängen, existieren. Das sollte einfacher werden, wenn alles in einem Haus ist.

Was wollen Sie anders machen?Ich bin sozialisiert als Wissenschaftler, daher ist für mich die Ideologie weit weg. Ich bin mehr Sach- als Parteipolitiker. Ich will fakten- und wissenschaftsbasiert arbeiten.

Sie sehen Sich ideologisch weder links noch rechts?

So ist es. Und als Optimist.

Wie sehen Sie als Wissenschaftler vergangene Reformen?

Bei manchem sehe ich, welche Bemühungen dahinterstehen, etwa bei der Zentralmatura die vergleichbaren Leistungen. Anderes muss ich mir erst ansehen.

Zu viele verlassen die Schule, ohne lesen und rechnen zu können. Was braucht es da?

Ich denke, dass die Bildungspflicht uns da weiterhelfen wird. Wir müssen rechtzeitig vor dem Verlassen die Schüler standardisiert testen und gegebenenfalls fördern. Klar ist, dass man das nur bis zu einem gewissen Alter machen kann, bis 18 Jahre.

Wollen Sie an den Schulen gleich Akutmaßnahmen setzen?

Wir überlegen, sofort die vielen Erlässe durchzuforsten. Das geht relativ rasch – und kostet nichts.

Sollen Leistungsgruppen wieder erlaubt werden?

Das kann man ernsthaft überlegen. Leistungsgruppen können sinnvoll sein.

Soll es mehr Ressourcen für Brennpunktschulen geben?

Nicht mehr Geld für alle, sondern konzentriert, wo die Mittel benötigt werden. Schulen, die in besonders prekärem Umfeld arbeiten, werden unsere besondere Aufmerksamkeit erhalten.

Manche Eltern haben das Geld nicht, um ihr Kind in die Nachmittagsbetreuung zu geben.

Da gibt es die Idee, dass jenes Geld, dass durch die Indexierung der Sozialleistungen für Kinder, die im Ausland leben, eingespart wird, für die Kinderbetreuung im Inland verwendet werden könnte.

Gibt es in der Bildungspolitik eine Bringschuld der Eltern?

Ja, die Verpflichtung der Eltern muss deutlicher werden. Wo diese auslassen, müssen wir überlegen, wie wir darauf reagieren – ob der Staat einspringen muss, oder ob es Sanktionen braucht.

Sollen Ausländerklassen kommen – wo doch Durchmischung so wichtig ist?

Es ist vernünftig, Kinder, die neu ins Land kommen, zuerst in Sprachkurse zu geben, und sie nicht unbegleitet in das Sprachbad der Mitschüler zu werfen. Ich glaube, durch ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr wird es besser werden.

Was soll beim Thema Kindergarten mit den Ländern verhandelt werden?

Wir müssen uns auf gemeinsame Bildungsziele einigen: Was muss der Kindergarten für die Kinder und für die Gesellschaft leisten?

Sollen künftig alle Kindergärtnerinnen an den Hochschulen ausgebildet werden?

Ich denke nicht, dass alle tertiär ausgebildet sein müssen. Herzensbildung und Empathie für Kinder ist nicht nur an die akademische Ausbildung gekoppelt.

Sie stehen einem Kopftuchverbot positiv gegenüber?

Ja, ich habe eine Sympathie für den säkularen Staat und finde, dass Lehrerinnen kein Kopftuch tragen sollten, ausgenommen Religions- und Privatschullehrerinnen.

Und die Kinder?

Wir sind nicht Frankreich. Ich steige sicher nicht in eine Diskussion um eine Kleiderordnung für Schüler ein.

Wie interpretieren Sie die Studie über islamische Kindergärten?

Die eigentliche Frage ist doch, welchen Stellenwert soll die Religion in den Kindergärten haben? Da brauchen wir einheitliche Standards in allen Bundesländern.

Das Bildungsministerium ist chronisch unterdotiert. Haben Sie schon aufs Konto geschaut?

(lacht) Ein bisserl schon. Wir haben dazu mit dem Finanzministerium schon eine Taskforce eingerichtet.

Zuletzt noch zu den Universitäten: Sind Studiengebühren und Aufnahmeprüfungen fix?

Studiengebühren wären nicht als Finanzierungs-, sondern als Steuerungsinstrument gedacht, um mehr Verbindlichkeit fürs Studium zu erreichen. Und bei überlaufenen Studien wird es Zugangsprüfungen geben müssen.

Zur Person Heinz FaßmannDer 62-Jährige wurde in Düsseldorf (D) geboren, kam aber schon als Siebenjähriger nach Wien, wo er maturierte und zeitweise studierte.

Mittlerweile ist er österreichischer Staatsbürger. Faßmann ist Doktor der Geographie und Wirtschafts- und Sozialgeschichte und seit 2000 Professor an der Uni Wien, 2011 wurde er Vizerektor.
2010 übernahm er den Vorsitz des Expertenrats im Integrationsministerium – bis heute gilt er als jener Mann, auf den Bundeskanzler Sebastian Kurz in der Sache hört. Faßmann ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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