"Bienengipfel": Neonicotinoid-Verbot beschlossen

"Bienengipfel": Neonicotinoid-Verbot beschlossen
Umweltminister Berlakovich lenkte ein. Der Einsatz von Neonicotinoiden wird in Österreich verboten.

Neonicotinoide sind ab sofort auch bei Umweltminister Nikolaus Berlakovich "out". Nach einem "Bienengipfel" im Landwirtschaftsministerium, der am Dienstagvormittag in Wien abgehalten wurde, beschlossen die Teilnehmer, dass man nun doch dem Vorschlag der EU-Kommission, die für die Bienen so schädlichen Pestizide zu verbieten, zustimmte. "Die Lösung der Vorwoche hat keine Akzeptanz gefunden", begründete Berlakovich seine Kehrtwende, nach dem ihm - auch aus den eigenen Reihen - heftige Kritik entgegenschlagen ist. "Wir wollen die Bienen schützen, wir wollen aber auch die Bauern schützen", erklärte der Umweltminister im Rahmen einer Pressekonferenz.

Er betonte aber auch, dass mit einem Verbot der Neonicotinoide das Bienensterben nicht besiegt sei. "In Deutschland gibt es gleich hohe Verluste wie bei uns - und das trotz eines Verbots", so Berlakovich. Dennoch wolle er einen "Schulterschluss von Imkern und Bauern" erreichen, weshalb der "Bienengipfel" beschloss, sich dem Entwurf aus Brüssel anzuschließen.

Forschung soll intensiviert werden

Berlakovich kündigte zudem an, die Forschung auf diesem Gebiet intensivieren sowie die Landwirte mit Programmen und Beratungen unter die Arme greifen zu wollen.

"Bienengipfel": Neonicotinoid-Verbot beschlossen
APA12635654 - 07052013 - WIEN - ÖSTERREICH: Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich am Dienstag, 07. Mai 2013, während einer PK anl. eines "Bienengipfels" in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER

Darüber hinaus soll ein Bienengesundheitsprogramm auf die Beine gestellt werden. Gentechnik sei nach wie vor keine Alternative zum Einsatz von Pestiziden, bekräftigte der Umweltminister. Auch ein Ausgleich etwaiger Ernteausfälle müsse angestrebt werden.

"Erschütterung"

Keine Freude mit dem Beizverbot von Mais mit den hochgiftigen Pflanzenschutzmitteln, von denen in Österreich zumeist drei zum Einsatz kommen (Imidacloprid, Clothianidin sowie Thiamethoxam), hatte Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski. Er sei "erschüttert" über die Vorgangsweise in Brüssel. Man habe die Neonicotinoide "gut im Griff" gehabt, die Auswirkungen seien kontrollierbar gewesen. Nun müsse man sich mit neuen Spritzmitteln vertraut machen, deren Wirkung noch nicht bekannt sei.

"Wir haben alles daran gesetzt, damit Neonicotinoide den Bienen nicht schaden", so der LKÖ-Präsident und nannte diesbezüglich die Melissa-Studie oder auch die Umrüstung von Sähgeräten. "Diese Investitionen werden nun überflüssig", sieht Wlodkowski "enorme Probleme" auf die Saatgut- und Landwirtschaft zukommen. "50 bis 60 Millionen Euro stehen auf dem Spiel." Die LKÖ trage dennoch die Entscheidung des Umweltministers mit, wenngleich "Beizung sicher nicht das Hauptproblem für Bienen" sei. Das Verbot sei eine "sehr große Belastung, aber wenn die öffentliche Meinung einen anderen Weg fordert, dann werden wir den auch gehen".

Wie schädlich Neonicotinoide für Bienen offenbar wirklich sind, bekräftigte bereits der ehemalige langjährige Koordinator der ARGE Bienenforschung an der Uni für Bodenkultur in Wien, Stefan Mandl. Im APA-Gespräch zeichnete der nunmehrige Bio-Imker ein nicht nur sprichwörtlich vernichtendes Bild dieses Pflanzengiftes. "Wissenschaftlich gibt es da überhaupt keinen Zweifel - die Giftigkeit ist längst bewiesen", so Mandl, schließlich existierten rund 50 Abhandlungen international renommierter Forscher, die die Gefährlichkeit von Neonicotinoiden bestätigen. Und zwar beileibe nicht nur für Bienen: Laut Mandl ist dort, wo diese Pestizide zum Einsatz kommen, das gesamte Ökosystem in großer Gefahr.

"Vier Nanogramm, also ein viermilliardstel Gramm, tötet eine Biene. Das ist nicht strittig, das hat sogar Bayer zugegeben." Neonicotinoide sind laut Mandl tausend Mal giftiger als das berühmt-berüchtigte Pflanzenschutzmittel DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan), das in vielen Industrieländern dieser Welt schon seit Jahrzehnten verboten ist.

Mandl geht mit seiner Kritik sogar noch einen Schritt weiter: "Es ist so toxisch, dass es aus ökologischer Sicht nie zugelassen hätte werden dürfen." Vor etwa zwei Jahren habe er eine wissenschaftliche Arbeit an das Umweltministerium geschickt - um zu warnen. "Aber passiert ist nichts."

"Fatal für die gesamte Insektenwelt"

"Der Bienenschaden ist dokumentiert. Die Diskussion ist ja auch nicht neu, es ist alles längst abgeklärt", bekräftigte Mandl. Selbst bei sogenannten subletalen Mengen von Neonicotinoiden komme es bei Bienen zu Schädigungen wie zum Beispiel Orientierungsstörungen.

Doch nicht nur Bienen würden unter diesen extrem giftigen Substanzen leiden: Regenwürmer, Ameisen, Schmetterlinge, Käfer, Wasserorganismen. Mandl: "Das ist fatal für die gesamte Insektenwelt. Die Bienen zeigen es nur auf - das größere Problem ist eigentlich, dass das komplette Ökosystem zerstört." Und das Beizen mit Neonicotinoiden werde nicht nur bei Mais angewendet, auch bei Erdäpfeln, Sonnenblumen, im Wein- und Obstanbau oder auch beim Winterweizen kämen sie zum Einsatz.

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