Neugebauer: "Beton ist hervorragender Werkstoff"

Fritz Neugebauer: Öffentlich angefeindet, intern beliebt – ein Vielschichtiger tritt ab.

"Wo finden die Feierlichkeiten statt, wenn er aus dem Amt ist?" – "Dass Österreich das noch erleben durfte, ein ... Privilegien-Dinosaurier verdünnisiert sich?" – "Endlich!".

Mit Kommentaren dieser Tonalität reagierten viele Poster auf die via KURIER verkündete Neuigkeit: Fritz Neugebauer tritt als Beamtenboss ab. Mit 72 – und nach 19 Jahren an der Gewerkschaftsspitze. Beim Kongress der Öffentlich Bediensteten in der kommenden Woche kandidiert er nicht mehr; das tut nun FCG-Vorsitzender Norbert Schnedl.

Neugebauers Image in der Öffentlichkeit ist schlecht; als Neinsager, Betonierer, Blockierer gilt er da. Politologe Emmerich Talos formulierte das einst freundlich: "Neugebauer ist nicht der Ausbund des Reformers." Dieser parierte derlei Vorhalt stets mit dem Sager: "Beton ist ein hervorragender Werkstoff."

Schmarrn-Urteil

Den jeweils Regierenden, damit auch seiner ÖVP, setzte er diesen immer wieder vor. Etwa im Jahr 2010. Da stimmte er als Nationalratsabgeordneter für ein Sparpaket – um hernach eine Verfassungsklage beim Höchstgericht dagegen anzukündigen; Pensionsneuerungen missfielen ihm.Sieben Jahre davor war Neugebauer, damals ÖGB-Vize, einer von 200.000 Menschen gewesen, die in Wien gegen die Pensionsreform von Wolfgang Schüssels schwarz-blauem Kabinett demonstrierten. Zum Ärger der roten ÖGB-Kollegen hieß Neugebauer die entschärfte Variante im Parlament aber gut.

Auch gegen Bildungsreformen stemmte sich der Ex-Hauptschulpädagoge immer wieder. SPÖ-Bildungsministerin Claudia Schmied scheiterte mit ihrem Begehren nach zwei Stunden mehr Unterricht für Lehrer vor allem wegen seines Widerstands. 2013 stemmte sich Neugebauer gegen das neue Lehrerdienstrecht. Einen Schmarrn nannte er das, was SPÖ-Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek vorgelegt hatte. Die Koalitionäre trotzten ihm: Sie beschlossen die Neo-Regeln, um die zwölf Jahre gerungen worden war, ohne gewerkschaftlichen Sanktus. Ein Affront für Neugebauer & Co; das sei "ein Bruch der Sozialpartnerschaft".

Verhandlungsprofi

Eine der seltenen Niederlagen des gewieften Verhandlers. Zumeist holte Neugebauer das Maximum für seine Klientel heraus, vor allem bei Gehaltsverhandlungen. Und er hat etwas geschafft, um das ihn die Vertreter von Parteien und anderen Teilgewerkschaften beneiden: Die GÖD, einzige schwarz dominierte Gruppierung im ÖGB, lukriert weitere Mitglieder. Im Vorjahr waren 240.140 Beamte und Vertragsbedienstete dabei – um 3250 mehr als 2014.

Beim Antritt als Beamtenvormann, 1997, war Neugebauer nicht gut beleumundet. Es war bekannt geworden, dass er knapp 40.000 Schilling brutto als Lehrer kassiert hatte – für zwei (nicht gehaltene) Geografiestunden pro Woche. Als "Lehrer Nimmersatt" qualifizierte ihn täglich Alles. Auch ob seines "Multifunktionärstums" wurde er kritisiert.

Mit dem Beamtengewerkschaftsvorsitz gibt Neugebauer die letzte gewichtige Funktion ab. 2007 war er bei der Wahl in den ÖGB-Vorstand durchgefallen. 2009 musste er als ÖAAB-Chef weichen, weil er im Arbeitnehmerbund "zu beamtenlastig" war. Das Amt des Zweiten Nationalratspräsidenten ist seit der Wahl 2013 weg, ebenso sein Sitz im Parlament, wo er einst als ÖVP-Klubvize, Sozial- und Bildungssprecher agierte.

Friedliebender

Selbst jene, die Neugebauer am Verhandlungstisch ob seiner Taktik genervt hat, verstehen sich mit ihm abseits davon gut. Er ist gesellig und humorvoll. Im Gasthaus "Zum Holunderstrauch", unweit der Wiener Beamtengewerkschaftszentrale, hält er Hof. Zu seinem 70er sagte Neugebauer, dessen Mutter Schneiderin, dessen Vater Eisenbahnbeamter war, über sich: "Im Grunde meines Herzens bin ich ein friedliebender Mensch."

Fernab der Politik gab er gern Gas. Immer wieder stieg der Wiener in Lederkluft auf seine Yamaha. Mittlerweile mag es Neugebauer gemäßigter; das Rad ist sein Gefährt. Wenn er jetzt kürzertritt, bleibt mehr Zeit für seine Vorlieben: Operetten und Stefanie Wergers Werk. Für Neugebauer ist diese "eine hervorragende Musikerin. Ihre Lieder haben Texte mit Tiefgang."

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