Faymann und Fekter auf Crash-Kurs

APA12420382 - 22042013 - WIEN - ÖSTERREICH: BM Maria Fekter im Rahmen einer Sondersitzung des Nationalrates zum Zypern-Hilfspaket am Montag, 22. April 2013, im Parlament in Wien. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Ein Brief der Finanzministerin für Brüssel erzürnt den Kanzler: "Wir werden eine Lachnummer."

War es Vorsatz? Wollte Maria Fekter, wie man sagt, einfach Fakten schaffen?

Tatsache ist: Seit Donnerstag laboriert die Koalition an einer veritablen Beziehungskrise, und die Ursache dafür ist ein von der ÖVP-Finanzministerin formulierter Brief in Sachen Bankgeheimnis.

Donnerstagnachmittag erreichte die Nachrichtenagenturen ein Brief, in dem Fekter dem für Steuer-Fragen zuständigen EU-Kommissar Algirdas Šemeta vier Bedingungen nennt, die erfüllt sein müssen, damit Österreich dem EU-weiten automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen zustimmt. Das Problem: Die Punkte sind inhaltlich mit der SPÖ so gar nicht abgestimmt.

So will Fekter beim Schwarzgeld die bilateralen Steuer-Abkommen mit der Schweiz und Liechtenstein beibehalten, obwohl die Union anderes plant, nämlich: Alle Steueroasen sollen mit der Kommission ein Abkommen schließen, das bilaterale Vereinbarungen künftig hinfällig macht.

Vieles ist falsch

Dem nicht genug, werden die im Brief artikulierten Positionen als Forderungskatalog der Regierung verstanden – zumindest sieht es das Kanzleramt so. „Ich habe diesen Brief als Anregung bekommen mit der Bitte, ihn zu unterschreiben. Das werde ich nicht machen, weil vieles falsch ist. Außerdem ist das wirklich ein schlechter Stil der Ministerin“, sagte Faymann zum KURIER. „Ich würde jemanden, der mich so behandelt, nicht ernst nehmen.“ Die Positionen des kolportierten Schreibens sind für den Kanzler, der am 22. Mai beim EU-Gipfel in Brüssel verhandeln muss, ein Ärgernis.

"Wir werden hier eine Lachnummer"

Will die ÖVP-Finanzministerin gar verhindern, dass ein Abkommen zustande kommt? Faymann: „Die Vorgangsweise deutet nicht darauf hin, dass sie ein Ergebnis will. Sie fügt der Betrugsbekämpfung bei der Steuer einen schweren Schaden zu – das bedaure ich zutiefst.“ Auch im Ö1-Morgenjournal kommentierte Faymann: "Wir werden hier eine Lachnummer".

Harter Tobak also. In der ÖVP war man darob um Schadensbegrenzung bemüht.

Vizekanzler Michael Spindelegger war für den KURIER nicht erreichbar. In seinem Umfeld hieß es, der ÖVP-Chef sei in den Entstehungsprozess des Schreibens nicht eingebunden gewesen – womit wir wieder bei Maria Fekter wären.

Die ÖVP-Finanzministerin wollte sich am Donnerstag nicht äußern. In ihrem Umfeld verstand man die Aufregung aber nicht: Der Brief sei nichts Offizielles, auch nicht an Brüssel geschickt worden, und schon gar nicht sei er als endgültige Verhandlungsposition Österreichs zu verstehen gewesen. „Was zirkuliert ist der Entwurf eines Briefes“, sagte ein Beamter. Wie das „Non-Paper“ an die Öffentlichkeit kam, kann Fekters Umfeld nicht wirklich erklären. Aber vermutlich ist das auch egal, denn: Am Unmut im Kanzleramt konnten derlei Beteuerungen gestern rein gar nichts ändern.

Wer in diesen Tagen mit Österreichern in Brüssel telefoniert, hört sehr besorgte Stimmen. „Wir gelten hier inzwischen als Zypern 2, “ meint einer. „Zypern hat auch geglaubt, mit steuerhinterziehenden Ausländern reich zu werden, sagen immer mehr EU-Beamte.“

In der Tat ist dieser Befund falsch. Die überwiegende Mehrheit der Bundesregierung hat natürlich begriffen, dass Österreich bei der Bekämpfung von Steuerbetrug mitmachen muss, bei gleichzeitiger Wahrung des Bankgeheimnisses für Inländer. Das gilt auch für die ÖVP, aber offensichtlich noch immer nicht für die zuständige Finanzministerin. Die will sich offensichtlich zur „Eisernen Lady des Bankgeheimnisses“ hochstilisieren. Es sieht aber immer mehr so aus, als würde Frau Fekter um ihr Überleben in der Bundesregierung kämpfen.

Wenn der Entwurf eines Briefes des Finanzministeriums an die EU an die Öffentlichkeit geht, dann schadet das den Verhandlungen mit der EU. Wenn in diesem Briefentwurf auch noch Bedingungen formuliert werden, die sicher abgelehnt werden, dann soll eine vernünftige Lösung verhindert werden. Das rückt uns aber in die Nähe von Staaten, die Steuerbetrug fördern.

Frau Fekter weiß genau, was sie tut. Ihre Attacke gegen London, wo anonyme Stiftungen geschützt werden, ist in der Sache absolut richtig gewesen. Aber warum verhindert sie sachliche Erfolge durch ihre unverständlich ungestümen Auftritte? „To be fektered“ gilt in der EU als Synonym dafür, nieder geredet zu werden.

Also bleibt nur ein Schluss: Frau Fekter, die ja schon vor ihrer Ablöse durch Vizekanzler Spindelegger stand, will ihren Posten irgendwie sichern. Die unsachlichen Aktionen gefallen aber nur den Boulevardmedien, die durch immer mehr Steuergeld verwöhnt werden.

Der international bekannte österreichische Finanzexperte und Ökonom Thomas Wieser ist in Brüssel als „Mister Euro“ bekannt. Der Spitzenbeamte koordiniert seit Mitte 2010 die Euro-Gruppe. Zuvor war er viele Jahre Sektionschef im Finanzministerium in Wien.

KURIER: Herr Wieser, wie ist der Verhandlungsstand Österreichs zum heiklen Thema Bankgeheimnis?
Thomas Wieser:
Offiziell gibt es keinerlei Änderung der österreichischen Position, die eine Übernahme des Informationsaustausches bei Zinseinkünften angeht. Luxemburg würde die bisherige Blockade aufgeben. Aus Österreich dringen nach Brüssel nur Gerüchte und Pressestatements, es gibt keine offizielle Stellungnahme. Den Statements kann man aber entnehmen, dass es in Österreich sehr unterschiedliche Meinungen gibt.

Finanzministerin Fekter nennt in ihrem Entwurf vier Punkte für Verhandlungen. Ein Punkt ist ein umfassendes Trust-Register. Macht das Sinn?
Hier ist es eine Frage, was die genaue österreichische Position ist. Als endgültiges Ziel internationaler Kooperation ist es wünschenswert, dass möglichst viele Infos über Trusts im Wege von Trust-Registern international transparent werden. Ein Trust-Register ist aber nicht Bestandteil der Verhandlungsmandate und auch nicht Bestandteil der bestehenden Richtlinien. Wünschenswert wäre es, dass so ein Register kommt. Als Vorbedingung für das Aufgeben der österreichischen Vorbehalte sehe ich das aber nicht.

Die bilateralen Steuerabkommen Österreichs mit Liechtenstein und der Schweiz sollen nicht durch ein EU-Abkommen betroffen sein. Realistisch?
Österreich kann nicht gleichzeitig das EU-Abkommen haben und daneben läuft ein anderes Abkommen weiter. Damit ist wohl eine Bedingung für eine Übergangsregelung formuliert.


Fekter will, dass der Europäische Gerichtshof von Drittstaaten als einzige juristische Behörde in Streitfällen anerkannt wird. Ist das möglich?
Es wäre fein, wenn das so ist. Es ist aber nicht so, dass der Europäische Gerichtshof in Luxemburg von allen Drittstaaten als exterritoriale Streitschlichtungsstelle akzeptiert wird. Ich glaube nicht, dass die Amerikaner in einem Abkommen den Europäischen Gerichtshof als alleinige Behörde akzeptieren würden. Wenn Österreich Teil dieser internationalen Übereinkünfte ist, wird es die Streitschlichtungsmechanismen bestehender Regelungen akzeptieren müssen.

Kommentare