Bewegung bei CETA-Handelspakt mit Kanada

Langsame Annäherung: Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner
SPÖ-ÖVP-Streitfall CETA: Umstrittene Schiedsgerichte wurden vorerst auf Eis gelegt, ein Durchbruch ist in Sicht.

Spätestens seit der SPÖ-Mitgliederbefragung gegen die Handelsabkommen CETA (mit Kanada) und TTIP (mit den USA) war in der Koalition, trotz des dürftigen Ergebnisses, Feuer am Dach.

Die ÖVP warnte eindringlich vor einer internationalen Superblamage, wenn ausgerechnet die Exportnation Österreich ein EU-Handelsabkommen mit einem so zuverlässigen Partner wie Kanada torpediert. Und die SPÖ beharrte auf ihren Kritikpunkten und wollte am liebsten das unterschriftsreife Abkommen aufschnüren und neuverhandeln. Oder wie zum Spott neigende Zeitgenossen meinten: Vielleicht gleich die ganze Globalisierung rückgängig machen.

Nach Tagen des heftigen innerkoalitionären Schlagabtausches sah die Regierungswelt am Freitag wieder ein wenig friedlicher aus.

Bei einem Treffen aller EU-Handelsminister – inklusive Österreichs Reinhold Mitterlehner – wurde in Bratislava vereinbart, dass die umstrittenen Schiedsgerichte zwischen Kanada und der EU von der vorläufigen Anwendung des Handelspaktes ausgenommen werden. Das bedeutet einen Zeitgewinn: Die Schiedsgerichte, also Streitschlichtungsinstanzen wenn sich ein Handelspartner übervorteilt fühlt, werden erst eingeführt, wenn alle nationalen Parlamente – also auch das österreichische – das Abkommen ratifiziert haben. Das wird frühestens im Laufe des Jahres 2017 der Fall sein.

Von einem Abschluss will noch niemand sprechen, dafür sei es noch zu früh. Erst Ende Oktober werden die finalen Unterschriften auf einem EU-Kanada-Gipfel fällig. Aber schon beginnt das nächste politische Match. Nämlich, wer sich den Erfolg von Bratislava auf das Fähnlein heften darf.

Mit Beipacktext

In der ÖVP heißt es, die Herausnahme der Schiedsgerichte von der vorläufigen Anwendung des Paketes sei immer schon Österreichs Linie gewesen, also kein Verdienst von Kanzler Christian Kern.

Und dessen Sorgen in puncto Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards beziehungsweise dem Privatisierungsdruck, der mit dem Handelsabkommen einher gehe, würden ohnehin in einer rechtsverbindlichen Zusatzerklärung behandelt.

Also, solle Kern, endlich über die "goldene Brücke" gehen, die vor ihm schon Sigmar Gabriel, Chef der deutschen Sozialdemokraten beschritten habe, sagt Mitterlehner. Gabriel singt wahre Loblieder auf CETA: Die EU und Kanada schafften hier erstmals "vernünftige Regeln für die Globalisierung". Es würden keine Standards abgesenkt, der Pakt führe nicht zu Zwangsprivatisierungen.

Über goldene Brücke

So weit wie sein deutscher Parteifreund ist Kern nicht, wie wohl auch er jetzt sagt: "Die Dinge bewegen sich in die richtige Richtung." Und weiter: "Es zeigt sich, dass unser Widerstand und unsere konsequente, inhaltliche Kritik sich auszahlen." Die Frage der Schiedsgerichte sei einer der wesentlichen Kritikpunkte gewesen. Und, so Kern: "Das österreichische Parlament muss darüber entscheiden können, ob es Sonderklagsrechten für internationale Konzerne zustimmt."

In Brüssel erinnert man freilich daran, dass der in Bratislava erzielte "Erfolg" ohnehin stets die Position des europäischen Parlaments war.

Mitterlehner resümierte nach dem Ministertreffen: "Im Endeffekt muss ich eine Abwägung treffen: Mache ich mit dem Thema Politik ... oder entscheide ich mich für die handelspolitische Reputation des Landes". Nachsatz: "Für mich ist die Entscheidung klar. Aber ich kann nicht für andere sprechen."

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