Schwarz-Blauer Wettlauf um strengere Asyl-Regeln

Brandstetter, Mikl-Leitner, Mitterlehner und Kurz hoffen, dass sich nicht noch mehr Wähler zur FPÖ bewegen
Kurz vor der Wahl in Oberösterreich versucht die ÖVP, der FPÖ mit einem strengeren Kurs gegen Flüchtlinge Paroli zu bieten. Die SPÖ setzt auf Streitvermeidung und das Vorbild ÖBB.

Die Polit-Konkurrenz schaudert. Seit Wochen geht es für die Blauen in den Umfragen bergauf. Nach der jüngsten OGM-Studie für den KURIER verdoppeln sie kommenden Sonntag in Oberösterreich ihre Stimmenanzahl von der Wahl 2009 (von 15 auf 31 %) – zu Lasten von Rot und Schwarz. Kein Wunder. Die Flüchtlingskrise überlagert alle anderen Themen. Und Anti-Ausländer-Agitation steht seit jeher auf der FPÖ-Agenda.

Was tun auf den letzten Wahlkampfmetern, um nicht noch mehr Sympathisanten an die Freiheitlichen zu verlieren? ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer begehrt etwas, wonach Heinz-Christian Straches Truppe ruft: "Asyl auf Zeit" für Flüchtlinge. Diesen sei zu sagen: "Ihr könnt kommen und bleiben, so lange zu Hause Krieg ist, aber dann heißt es nach Hause."

Pühringers Helfer

Die Bundespartei springt Pühringer, dem zehn Prozent Wählerzuspruch abhanden zu kommen drohen, bei. Am Montag postierten sich sein Landsmann, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, die Minister Johanna Mikl-Leitner, Sebastian Kurz und Wolfgang Brandstetter in der ÖVP-Zentrale, um den Sinn von "Asyl auf Zeit" (siehe unten) zu erläutern. "Im Sinne unserer christlich-sozialen Gesinnung ist es für uns selbstverständlich, allen, die Schutz brauchen, Schutz zu geben. Aber ein ,Asyl a la carte’, indem das wirtschaftlich attraktivste Land ausgewählt wird, kann es nicht geben", befand Mitterlehner. Ein "Signal" an die Flüchtlinge solle das sein – jenes, "dass Asyl nicht automatisch bedeutet, auf Dauer in Österreich bleiben zu können".

Die ÖVP will heimischen Bürgern ebenfalls etwas signalisieren: Sie sollten sich ob der hunderten Menschen, die täglich ins Land kommen, nicht sorgen. Auch von denen, die blieben, seien viele a la longue wieder weg.

Und damit es nicht wirkt, als wären Rot und Schwarz nicht handelseins und Strache das kritisieren kann, sagt Mitterlehner: Es gebe dahingehend keinen Konflikt in der Regierung; "wir sind mit der SPÖ konstruktiv unterwegs". Das will auch der rote Kanzler demonstrieren; er befürwortet das ÖVP-Verlangen. "Das soll zurecht parlamentarisch diskutiert werden."

"Asyl auf Zeit" ist nicht das erste, womit die ÖVP versucht, den Blauen dieses Terrain nicht zu überlassen. Im Sommer sprachen sich die Kärntner Schwarzen und Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer dafür aus, die Zahl der Flüchtlinge in Österreich zu limitieren (obwohl eine Obergrenze der Menschenrechtskonvention widerspräche). Pühringer forderte Grenzkontrollen; Integrationsminister Kurz, Sozialleistungen für Zuwanderer einzuschränken.

"Hart, aber nicht hetzen"

Der Politologe Peter Filzmaier bewertet den Kurs der ÖVP so: "Sie versucht offenkundig, die Position ,Wir sind hart, aber wir hetzen nicht’, zu besetzen. Vorschläge wie ,Asyl auf Zeit’ bergen – insbesondere, wenn sie kurz vor einer Wahl kommen – aber zwei Risiken: Wähler könnten sich fragen: ,Warum erst jetzt? Ist das bloß ein Wahlkampfgag?' Zudem könnte es sein, dass die Vorschläge bedingt praxistauglich sind – und nach der Wahl für Probleme sorgen. Fragen wie: ,Was machen die 27 EU-Nachbarn?’ oder ,Schafft die Bürokratie diesen Aufwand?’ werden sich stellen." OGM-Chef Wolfgang Bachmayer urteilt: "Kurzfristig bringt das der ÖVP nichts. Dafür reicht die Zeit nicht." Mittelfristig helfe strenges Gehabe nur dann, wenn sich eine mitregierende FPÖ beim Flüchtlingsthema als inkompetent erweise.Eine klassische Wahlkampfbühne wollen alle Parteien nützen: die Nationalratssitzung am Mittwoch, bei der – gegen den Sanktus der FPÖ – das Durchgriffsrecht des Bundes auf die Länder bei Flüchtlingsquartieren beschlossen wird. Ebenso die Sondersitzung tags darauf, beantragt von der FPÖ. Was da abgehen wird, lässt das Motto erahnen: "Österreich im Ausnahmezustand – sichere Grenzen statt Asyl-Chaos, Herr Bundeskanzler!"

Was bedeutet das „Asyl auf Zeit“?
Grundsätzlich haben alle Asylberechtigten, also Menschen, die am Ende ihres Asylverfahrens einen positiven Bescheid bekommen haben, automatisch eine Einreise- und Aufenthaltsberechtigung. Das soll sich nun insofern ändern, als der sogenannte Aufenthaltstitel rechtlich vom Asyl-Status getrennt und auf drei Jahre befristet wird. Nach den Vorstellungen der ÖVP soll nach diesen drei Jahren überprüft werden, ob der wesentliche Asylgrund – zum Beispiel ein Krieg – weggefallen ist. Falls nein, wird der Aufenthaltstitel um zwei weitere Jahre verlängert; nach fünf Jahren soll er unbefristet erteilt werden.

Ist das Asylrecht nicht schon jetzt nur temporär, also auf Zeit, erteilt? Theoretisch ja, praktisch nein. „Wenn jemand einen positiven Asylbescheid und damit einen Aufenthaltstitel hat, kann und wird dieser derzeit zwar überprüft – allerdings passiert das nur in Einzelfällen“, sagt ein Beamter des Innenministeriums zum KURIER. Konkret mache die Behörde dies etwa bei Asylberechtigten, die Straftaten begehen. „Dann kann und wird das Asylrecht – und damit die Berechtigung zum Aufenthalt – aufgehoben.“

Ändert „Asyl auf Zeit“ etwas am Asylverfahren? Nein. Das Asylverfahren bleibt davon unangetastet.

Was ändert „Asyl auf Zeit“ in der Praxis? Vor allem bedeutet es eine zusätzliche Belastung der Bürokratie. Derzeit kann der Asylstatus überprüft und allenfalls aufgehoben werden. Die neue Regel würde daraus eine Muss-Bestimmung machen, sprich: Bei jedem Asylberechtigten müsste die Behörde verpflichtend überprüfen, ob die Gründe für das Asyl noch gegeben sind.

Geht Österreich mit diesem „Asyl auf Zeit“ einen Sonderweg in der EU? Nein, sagen Experten im Innenressort. Die Bundesrepublik Deutschland hat die formal-rechtliche Trennung zwischen Asyl und Aufenthaltstitel seit Jahren.

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