Debatte: Wie viele Flüchtlinge verträgt die EU?

Asylwerber im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen.
Britische Regierung warnt vor sinkendem Lebensstandard, LH Haslauer fordert von Regierung Obergrenze.

Seit Monaten wird auf europäischer Ebene – erfolglos – darüber verhandelt, wie angesichts des anhaltenden Ansturms Flüchtlinge gerechter verteilt werden können. Jetzt wird zusätzlich zur Debatte darüber, wer wie viele aufnehmen soll, eine grundsätzlichere Frage aufgeworfen: Wie viele kann Europa aufnehmen? Wie viele Flüchtlinge verträgt die EU?

Sicher nicht alle, die kommen wollen, meint etwa der britische Außenminister Philip Hammond. „Jetzt haben wir keine nachhaltige Situation, weil Europa sich nicht selbst schützen kann, seinen Lebensstandard und seine soziale Infrastruktur, wenn es Millionen von Migranten aus Afrika aufnehmen“, sagte Hammond am Wochenende.

Solidarität gefordert

Obwohl Großbritannien nicht zu jenen EU-Staaten zählt, die aktuell die meisten Flüchtlinge aufnehmen, ist die konservative britische Regierung dabei, ihre Linie in der Flüchtlingspolitik weiter zu verschärfen: Wer illegale Flüchtlinge beschäftigt, soll „die volle Härte des Gesetzes spüren“, wie Migrationsminister James Brokenshire der BBC sagte.

Der britische Kurs stößt andernorts in Europa auf Widerstand: „Ein Teil der EU-Staaten empfindet Europa offensichtlich als eine Art Zugewinngemeinschaft, bei der man nur mitmacht, wenn es Geld gibt und bei der man aussteigt, wenn es um Verantwortung geht“, sagte der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) der Bild.
Auch wenn er keine Namen nennt, ist klar, wen Gabriel meint: Die Briten haben – wie die Iren und die Dänen – per EU-Vertrag das Recht, bei der gemeinsamen Flüchtlingspolitik nicht mitzumachen. Also auch nicht bei einer Neu-Verteilung von Flüchtlingen, wie sie Gabriel erneut fordert: „Wir brauchen einen fairen Ausgleich.“ Es sei „eine Schande für Europa, dass wir nicht in der Lage sind, eine bessere Verteilung von Flüchtlingen sicherzustellen“.

Verteilungsschlüssel

Debatte: Wie viele Flüchtlinge verträgt die EU?
Ein fixer Verteilungsschlüssel, den die EU-Kommission anhand von Einwohnerzahl, Wirtschaftsleistung, Arbeitslosigkeit und bisherigen Asylanträgen berechnet hat, fand keine Mehrheit unter den EU-Staaten – obwohl es lediglich um ein Pilotprojekt mit 40.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland ging. Diese werden jetzt auf Basis freiwilliger Zusagen umverteilt.

Ein weiteres mögliches gemeinsames EU-Flüchtlingsprojekt könnte in Serbien entstehen: Wie der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für Verteidigung und Sicherheit, Momir Stojanovic, der Zeitung Blic sagte, überlege die EU, ein Zentrum für 400.000 Flüchtlings in Serbien zu errichten. In Brüssel weiß man davon allerdings noch nichts: Auf KURIER-Anfrage heißt es im Büro von Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos, es seien „keinerlei Informationen in diese Richtung“ bekannt.

Durchgriffsrecht „okay“

Wie viele Flüchtlinge verträgt Österreich? Eine Antwort auf diese Frage fordert Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) von der Bundesregierung ein. „Die Leute wollen schlicht und einfach wissen, wohin die Reise geht. Es ist eine große Hilfsbereitschaft da, aber die Frage, wohin das führt, wie viele noch, diese Frage steht im Raum.“

Haslauer hat mehrfach ein bis zwei Prozent der Wohnbevölkerung als Obergrenze genannt. An der Verhältnismäßigkeit will er auch das geplante Durchgriffsrecht des Bundes bei der Flüchtlingsunterbringung messen: Dieses sei zwar ein „schwerer Eingriff in die Kompetenz der Länder“, in einer Notsituation aber verkraftbar. Wenn, das ist Haslauers Bedingung, maßvoll damit umgegangen wird: „Wenn es nicht zu einem Unterbringungsexzess kommt – etwa bei 3000 Einwohnern 1000 Flüchtlinge –, dann sage ich okay.“

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