ÖGB: 12-Stunden-Tag nur für 6. Urlaubswoche

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Konter kommt von WKÖ-Chef Leitl und von der Jungen Industrie.

Die Flexibilisierung der Arbeitszeit ist in aller Munde: Es geht um eine Ausdehnung der täglichen Normalarbeitszeit bei Gleitzeit von zehn auf zwölf Stunden. Laut Sozialministerium soll es im Gegenzug Verbesserungen in anderen Bereichen geben, welche Verbesserungen das genau sein sollen, ist allerdings unklar. Im Gespräch ist die leichter erreichbare 6.Urlaubswoche, die Gewerkschaft fordert das schon lange.

Der ÖGB ist jetzt nur bei einer generellen 6. Urlaubswoche ab 25 Dienstjahren bereit, einer Erhöhung der Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden pro Tag zuzustimmen, gab ÖGB-Generalsekretär Bernhard Achitz am Sonntagabend bei Im Zentrum auf ORF2 zu verstehen. Die Industrie pocht auf mehr Flexibilität, da auch die Aufträge schubweise kommen. Die Vorsitzende der Jungen Industrie, Therese Niss, forderte für das von Regierung und Sozialpartnern derzeit verhandelte größere Arbeitsrechtspaket, dass dieses "ausgewogen" sein müsse - "mit einer sechsten Urlaubswoche wäre das aber nicht der Fall", betonte sie.

Gegen eine solche Junktimierung von 12-Stunden-Tag und sechs Wochen Urlaub sprach sich am Sonntag auch WKÖ-Chef Christoph Leitl aus. Zur Presse (Montag-Ausgabe) sagte er, er halte "nichts von Junktims". Als Warnung ergänzte Leitl, der auch Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes ist: "Ich will niemanden über den Tisch ziehen. Ich weigere mich aber, selbst über den Tisch gezogen zu werden."

Achitz meinte in der TV-Debatte, man habe sich vor 30 Jahren darauf geeinigt, dass Menschen, die länger im Beruf stehen, auch länger Urlaub haben sollten - nur sei die jetzige Regelung leider so formuliert, dass eine durchgehende Beschäftigung bei ein und demselben Dienstgeber erforderlich sei, um nach 25 Jahren die sechste Woche zu haben.

Für den ÖGB gehe es in den Verhandlungen lediglich "um eine weitere Ausnahme vom 8-Stunden-Tag", der grundsätzlich weiterhin gelte. Schon heute gebe es "zig flexible Arbeitszeitmodelle in Österreich", denn dies ermögliche die Gewerkschaft seit 1997 unter bestimmten Bedingungen. So seien etwa auch vier Tage zu je 10 Stunden mit anschließend drei freien Tagen möglich. Und es gebe schon Fälle, wo bereits jetzt 12 Stunden täglich erlaubt seien.

Mögliche Verbesserungen

Neben einer Ausdehnung der maximalen Arbeitszeit von 10 auf 12 Stunden pro Tag (bei Gleitzeit bzw. für Montagetätigkeiten oder auf Dienstreisen) könnte das Arbeitsrechtspaket auch Klarstellungen zu All-in-Verträgen und andere Lohnverbesserungen bringen. Bei den All-in-Verträgen müsse jeder Arbeitnehmer das Recht haben, zu wissen, was er für die Normalarbeitszeit verdiene und wie hoch die Überzahlung sei, sagte Achitz. Leider sei das derzeit nicht so; viele Verträge würden "einfach nur zum Vertuschen" dienen.

Arbeitszeitgesetz als "Schutzgesetz"

Soziologe Jörg Flecker von der Universität Wien verwies darauf, dass längere Arbeitszeiten gesundheitliche Belastungen mit sich bringen und auch die Unfallgefahren erhöhen würden. Deshalb gebe es das Arbeitszeitgesetz als "Schutzgesetz". Schließlich sei ja auch jeder froh, wenn ein Arzt nicht 72 Stunden pro Woche arbeite.

Dass die Arbeitslosigkeit bei einer Verringerung der Überstunden-Zahl oder einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche (mit einer Umverteilung der Arbeit auf mehr Menschen) gesenkt werden kann, bezweifelte die Vertreterin der Jungen Industrie. Laut Niss werde der Großteil der Überstunden von Hochschul-Absolventen geleistet, aber überdurchschnittlich viele Arbeitslose würden nur um einen Pflichtschulabschluss oder nicht einmal den verfügen.

Der Leitende Sekretär des ÖGB erinnerte daran, dass von den mehr als 300 Mio. Überstunden, die jährlich in Österreich geleistet werden, 60 bis 70 Mio. nicht bezahlt würden - eine Größenordnung, die mit Hinweis auf die Statistik Austria Soziologe Flecker bestätigte. Achitz: "Wir wollen die Überstunden reduzieren, die Arbeitsbelastung reduzieren und die Freizeit ausdehnen, damit die Menschen länger gesund im Job bleiben." Es gehe um ein Signal, dass die Überstunden die Ausnahme bleiben sollten.

In Österreich gilt eine Normalarbeitszeit von acht Stunden pro Tag, die maximal zulässige Höchstarbeitszeit beträgt zehn Stunden. Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen, die bereits jetzt eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 13 Stunden, in Sonderfällen auch darüber hinaus, ermöglichen. Im Folgenden eine Auflistung der im Arbeitszeitgesetz (AZG) festgeschriebenen Regeln.

Grundsätzlich muss zwischen der täglichen Normalarbeitszeit (§ 3 AZG) und den zulässigen Höchstgrenzen der Arbeitszeit (§ 9) differenziert werden. Im Moment wird eine Verlängerung der Höchstgrenzen der täglichen Arbeitszeit bei Gleitzeit und bei Dienstreisen diskutiert.

I.) Die TÄGLICHE NORMALARBEITSZEIT (also ohne Überstunden) beträgt grundsätzlich acht Stunden bzw. 40 Stunden pro Woche. Diese Begrenzungen können durch mehrere Ausnahmen angehoben werden. Jene Arbeitszeiten, die über die Normalarbeitszeit hinausgehen, sind als Überstunden abzugelten. Im folgenden die verschiedenen Möglichkeiten der Erhöhung der täglichen Normalarbeitszeit:

9 oder 10 Stunden - Sofern an einem Wochentag kürzer als acht Stunden gearbeitet wird, kann die Arbeitszeit an anderen Wochentagen ausgeglichen werden; und damit bis zu neun Stunden (bei entsprechender Kollektivvertrags-Vereinbarung auch bis zu zehn Stunden) betragen. Beispiel: Früheres Arbeitszeitende am Freitag.

9 oder 10 Stunden - Längerer Durchrechnungszeitraum: Bei dieser Variante darf die Normalarbeitszeit in einzelnen Wochen 40 Stunden überschreiten (oder die durch den KV festgelegte kürzere Normalarbeitszeit) - und muss nur im Durchschnitt eingehalten werden. Dies muss durch Kollektivvertrag (KV) festgelegt sein. In den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes darf die wöchentliche Normalarbeitszeit höchstens 48 Stunden betragen (50 Stunden, sofern der Durchrechnungszeitraum bis zu 13 Wochen beträgt). Die tägliche Normalarbeitszeit darf bis zu neun oder zehn Stunden (je nach KV) betragen.

10 Stunden - Zur Einarbeitung von Fenstertagen: Soll ein Betrieb an Fenstertagen geschlossen bleiben oder wollen Arbeitnehmer an diesen Tagen freinehmen, so kann die dadurch ausgefallene Arbeitszeit auf Arbeitstage anderer Arbeitswochen verteilt werden. Der Einarbeitungszeitraum beträgt dabei höchstens 13 Wochen. An den entsprechenden Tagen darf die Normalarbeitszeit 10 Stunden nicht überschreiten, in den "Mehrarbeitswochen" 50 Stunden. Per KV kann der Einarbeitszeitraum auch ausgedehnt werden.

10 Stunden - Bei einer Vier-Tage-Woche kann die Normalarbeitszeit zehn Stunden betragen. An den anderen drei Tagen darf nicht gearbeitet werden. Notwendig ist dafür eine Betriebsvereinbarung oder schriftliche Einzelvereinbarung bei Betrieben ohne Betriebsrat. In der Bauwirtschaft ist dies nicht zulässig.

12 Stunden - Bei "Arbeitsbereitschaft" kann die Normalarbeitszeit auch 12 Stunden betragen: In die Arbeitszeit des Arbeitnehmers muss mindestens ein Drittel Arbeitsbereitschaft (also nicht unmittelbare Arbeit) fallen. Die Bereitschaft zählt zur Arbeitszeit. Die Arbeitszeitverlängerung muss durch Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Bewilligung durch das Arbeitsinspektorat zugelassen werden. Die wöchentliche Normalarbeitszeit kann auf bis zu 60 Stunden verlängert werden.

9 oder mehr Stunden - Bei Schichtarbeit muss die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden im Durchschnitt ebenfalls eingehalten werden. In den einzelnen Wochen darf sie bis zu 50 Stunden betragen, die tägliche Normalarbeitszeit bis zu neun Stunden. Hier gibt es zahlreiche Ausnahmen, etwa sind per KV oder Betriebsvereinbarung auch bis zu 12 Stunden Normalarbeitszeit zulässig.

Bis zu 24 Stunden Arbeitszeit sind dann möglich, wenn für den Arbeitnehmer während der Arbeitszeit "besondere Erholungsmöglichkeiten" bestehen (§ 5a). Auch hier ist ein KV oder eine Betriebsvereinbarung notwendig. Diese Ausdehnung ist maximal drei Mal pro Woche zulässig.

Bei Tätigkeiten im Rahmen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (u.a. Ärzte, Apotheker, pharmazeutische Hilfskräfte) gibt es auch weitaus höhere Stundenanzahl bis hin zu 49 Stunden am Stück ("verlängerter Dienst") - bei entsprechenden Ruhezeiten während des Dienstes.

II.) Die HÖCHSTGRENZEN der TAGESARBEITSZEIT betragen grundsätzlich zehn Stunden, können aber durch folgende Sonderregelungen angehoben werden - und zwar auf:

10,5 Stunden - Bei Überstunden für Vor- und Abschlussarbeiten, sofern Vertretung durch andere Arbeitnehmer/innen nicht möglich und Heranziehung Betriebsfremder nicht zumutbar ist.

12 Stunden - Bei "vorübergehend auftretendem besonderen Arbeitsbedarf" (§ 7 (4)) kann "zur Verhinderung eine unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils" per Betriebsvereinbarung die Tagesarbeitszeit auf zwölf Stunden angehoben werden. Die Wochenarbeitszeit darf auf 60 Stunden erhöht werden. Die Anhebung darf maximal 24 Wochen pro Kalenderjahr erfolgen, nach 8 Wochen müssen 2 Wochen ohne Überstunden folgen.

12 Stunden - Bei einer 4-Tage-Woche kann die Arbeitszeit mittels Überstunden auf zwölf Stunden ausgedehnt werden. Notwendig ist eine Betriebsvereinbarung oder schriftliche Einzelvereinbarung in Betrieben ohne Betriebsrat mit arbeitsmedizinischer Unbedenklichkeits-Feststellung.

12 Stunden - Verlängerung der Arbeitszeit bei Arbeitsbereitschaft (je nach Regelung Normalarbeitszeit oder Überstunden); geregelt im Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung mit KV-Ermächtigung oder Bescheid des Arbeitsinspektorates in Betrieben ohne Betriebsrat oder Betriebsvereinbarung für Betriebe ohne KV-Möglichkeit.

13 Stunden - Überstunden bei Arbeitsbereitschaft - geregelt im KV oder über BV mit KV-Ermächtigung oder ohne besondere Zulassung bei Verlängerung der Normalarbeitszeit durch Arbeitsinspektorat oder BV für Betriebe ohne KV-Möglichkeit. Beispiel: Portier oder Nacht-Apotheker.

24,5 Stunden - Überstunden zur Arbeitsübergabe bei besonderen Erholungsmöglichkeiten; max. 3 x wöchentlich; geregelt über KV oder BV mit KV-Ermächtigung oder BV für soziale Dienste ohne KV-Möglichkeit

Österreich hinkt im internationalen Vergleich bei Reformen hinterher. Das ergibt eine Studie der deutschen Bertelsmann-Stiftung, die anhand von 140 Indikatoren die Zukunftsfähigkeit aller EU- und OECD-Staaten bewertet. Unter den 41 untersuchten Ländern belegt Österreich Rang 19. Reformbedarf besteht laut dem Bericht unter anderem in den Bereichen Bildung, Pensionen und Integration.

Österreich kommt in der Vergleichsstudie mit Rang 19 auf einen Platz im Mittelfeld und liegt damit hinter Ländern wie Belgien, Frankreich oder Tschechien. Bei den Feldern Arbeitsmarkt und soziale Inklusion erzielt es zwar gute Ergebnisse, insgesamt ist es aber nur "bedingt zukunftsfähig", wie die Bertelsmann-Stiftung am Montag in einer Aussendung zur Studie festhielt.

Beim Teilbereich Bildung hat sich Österreich zwar im Vergleich zur letzten Erhebung im Jahr 2011 leicht verbessert, belegt aber nur Platz 29. Gemessen an seiner ökonomischen Stärke müsste Österreich deutlich mehr Universitätsabsolventen hervorbringen, heißt es in der Studie. Problematisch wird auch die frühe Selektion der Kinder im Schulsystem und der große Einfluss der sozialen Herkunft auf die Bildungschancen der Kinder gesehen. Kritisiert wird außerdem das mangelnde Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen für Unter-Dreijährige.

Nachholbedarf sieht die Studie auch beim Bereich Zuwanderung und Integration. Menschen mit Migrationshintergrund hätten noch immer schlechtere Chancen in der Bildung und auf dem Arbeitsmarkt. Das Erlangen der Staatsbürgerschaft sei außer für Prominente und Sportler im Vergleich zu anderen EU-Staaten sehr schwierig.

Dringender Reformbedarf wird Österreich auch beim Punkt Pensionen bescheinigt. Das derzeitige Pensionssystem sei langfristig nicht tragfähig. Eine Anhebung des Pensionsantrittsalters sei aufgrund der längeren Lebenserwartung notwendig, Reformen aber politisch schwer durchsetzbar.

Insgesamt ist das österreichische politische System laut dem Bericht aufgrund seiner "Konsensorientierung sehr integrativ und stabil", die Innovationskraft aber zu gering. An der Spitze des Gesamt-Indexes zur Zukunftsfähigkeit der Länder liegen Schweden, Norwegen, die Schweiz, Finnland, Dänemark und Deutschland.

Die Junge Industrie forderte in Reaktion auf die Studie in einer Aussendung am Montag "mehr Ambition" in der Pensionspolitik und bei frühkindlicher Bildung.

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