Analyse nach Glawischnig-Rücktritt: Kopf und Kurs dringend gesucht

Eva Glawischnig
Eva Glawischnigs Rückzug hat sehr persönliche, aber auch handfeste politische Gründe.

Für Glawischnigs Freunde kam es alles andere als überraschend: Nach siebzehn Jahren in der Politik, davon neun Jahre als Chefin der Grünen weiß die kühl kalkulierende Politikerin in ihr: Bei der nächsten Wahl gibt es für sie nichts (mehr) zu gewinnen.

Seit der 15. Oktober fix ist, stellte sie die Weichen für eine geordnete Übergabe vor dem Sommer. Überraschend war nur der Zeitpunkt – und der ist der Emotion geschuldet. Was im kleinsten Kreis ausgemacht war, sickerte durch eine Indiskretion durch. Scheibchenweise abmontieren wie Reinhold Mitterlehner wollte sich Glawischnig aber nicht lassen.

Zumal intern einige auf Rache sannen: Eva Glawischnig ließ die Partei von ein paar Vertrauten mit eisernem Besen führen. Statt Wildwuchs gab es zentral geplante und straff geführte Wahlkampagnen. Solange sie mit diesem Kurs einen Wahlerfolg nach dem anderen einfuhr, wurde das akzeptiert, weil alle davon mit mehr Macht und Mandaten profitierten.

Denn bei den Grünen rittern immer mehr alte und neue Anwärter um die beste Startposition bei den Vorwahlen um die weniger werdenden Mandate. Im internen Rudelverhalten legen auch die Ökos den Glauben ans Gute und Korrekte beiseite. Für eine "Anführerin" des Rudels ist im grünen Selbstverständnis an sich kein Platz. Die Statuten kennen keine Parteichefin, sondern nur eine "Sprecherin" des Bundesparteivorstands.

Seit absehbar war, dass die Grünen im Schatten des Dreikampfs Kern-Kurz-Strache zu verwelken drohen, ist die "Leitwölfin", die eigentlich keine sein darf, aber verwundbar. Der für Außenstehende unverständliche jüngste Kleinkrieg zwischen Jungen und Alten Grünen machte in Cinemascope sichtbar: Die Autorität Glawischnigs reicht bald nicht einmal mehr zur "Sprecherin" der Grünen. Immer mehr grüne Kleinfürsten führten das große Wort. "Wenn sich einmal die Bundesländer öffentlich zu Wort melden, dann ist Feuer am Dach", so ein grüner Insider.

Die Grünen regieren in sechs Bundesländern mit und fuhren dort zuletzt bis zu 20 Prozent bei Landtagswahlen ein. Wenn aus der Bundespartei zu viel Gegenwind kommt, ist Schluss mit lustig.

Eva Glawischnig zog so aus politischen und persönlichen Gründen die Notbremse. Ein grüner Kurz – eine Galionsfigur, von der sich alle Erfolg versprechen – ist nicht in Sicht. Die Grünen brauchen freilich nicht nur einen neuen Kopf, sondern auch einen neuen Kurs, um nicht zwischen Kurz und Kern endgültig aufgerieben zu werden. SPÖ und ÖVP haben mit ihrem Ruck Richtung Mitte-rechts zwar Platz gemacht. Aber wo sich da die Grünen positionieren, ist offen: Mehr Linkspopulismus à la Peter Pilz, um sich für enttäuschte SP- & VP-Wähler attraktiv zu machen? Oder mit einem neuen Gesicht weiter auf bisherigem Kurs – kritisch, aber konstruktiv – Richtung Ministerrats-Tisch.

Eva Glawischnig hat ihr Traumziel, "endlich" auch im Bund mitregieren zu können, für sich abgehakt. Und damit unausgesprochen das Anforderungsprofil für eine mögliche(n) Nachfolger(in) abgesteckt: In den Ländern wird mitregiert, im Bund wird weiter opponiert. Rot-Grün-Neos ist mehr denn je Chimäre. Die nächste Regierung wird zwischen Rot, Blau und Schwarz ausgemacht.

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