Amtsgeheimnis: ÖVP verzögert Reform

Chihuahua dog Elmo, the dog of an employee, stands beside the slogan 'Top secret' at the Google building in Zurich March 9, 2011. REUTERS/Arnd Wiegmann (SWITZERLAND - Tags: SCI TECH ANIMALS BUSINESS)
Uneinige VP: Staatssekretär Kurz will einen Beschluss vor dem Sommer, Klubobmann Kopf tritt auf die Bremse.

Alles begann bei den Bienen: Als Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich sich vergangenen Monat weigerte, über die Mengen verwendeter Pestizide Auskunft zu geben, war der Unmut groß. Selbst die eigene Partei hatte sich schließlich gegen seine Argumentation gewandt. Der Minister hatte sich auf das Amtsgeheimnis berufen - hatte damit jedoch keinen Erfolg: Berlakovich lieferte die Daten nach.

Amtsgeheimnis: ÖVP verzögert Reform
Und so startete erneut die Diskussion um das Amtsgeheimnis. Im Mai hatte die Regierung einen Initiativantrag für die Lockerung des Amtsgeheimnisses für den 12. Juni angekündigt, um einen Beschluss noch im Juli zu ermöglichen. Dies dürfte nun gescheitert sein: Die Reform wird vor der Sommerpause des Nationalrats offenbar nicht zustande kommen.

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf plädierte im Gespräch mit der APA dafür, dass das Bundeskanzleramt das ganze einer ordentlichen, mehrwöchigen Begutachtung unterzieht und nicht in einem Schnellschuss im stillen Kämmerlein verabschiedet", sagt Kopf. "Ich halte den Fahrplan bis zur Juli-Sitzung für praktisch nicht machbar". Denkbar sei zwar auch eine Begutachtung des Gesetzesentwurfes durch den Verfassungsausschuss des Nationalrats, aber auch in diesem Fall hält der VP-Klubchef einen Beschluss vor der Sommerpause "nicht für möglich". Eine Ausschuss-Begutachtung könne nämlich ebenfalls nicht binnen einer Woche abgewickelt werden

Die eigene Forderung blockiert

Dabei kam die Forderung nach einem Informationsfreiheitsgesetz gerade aus der eigenen Partei: Staatssekretär Sebastian Kurz hatte im Februar vorgeschlagen, den "gläsernen Staat statt gläserner Bürger" zu schaffen. Dabei solle außerdem das Amtsgeheimnis abgeschafft und Transparenz für alle mit Steuergeld finanzierten Bereiche geschaffen werden.

Kurz selbst hat sich erst am Donnerstag zu den Worten seines Parteikollegen geäußert - und sich dafür ausgesprochen, die Reform des Amtsgeheimnisses noch vor der Wahl zu beschließen. Mit dem "guten Willen aller" sollte das möglich sein, hieß es aus seinem Büro gegenüber der APA. Er respektiere den Wunsch verschiedenster Institutionen, die davon betroffen sind, bei dem Gesetz mitreden zu können, wie es bei einer Begutachtung üblich sei. Es gebe aber keinen Grund, das nicht vor der Wahl möglich zu machen. Er sei dafür, das Gesetz möglichst rasch in Begutachtung zu schicken.

Kopfs Aussagen lassen allerdings auf ein Zögern der VP schließen - etwas, das Kopf so nicht gelten lassen will. "Ein Transparenzgesetz durch einen intransparenten Gesetzgebungsprozess abzuwickeln, das wird nicht gehen", verteidigte Kopf seine Forderung nach einer öffentlichen Begutachtung des Gesetzesentwurfs. Außerdem sei der ursprünglich für Mittwoch angedachte Initiativantrag im Nationalrat ohnehin "nicht zweckmäßig", weil das Ganze ein Regierungsprojekt sei.

SPÖ irritiert, Grüne ebenso

Der Koalitionspartner reagierte mit Unverständnis: Mit der ÖVP sei vereinbart gewesen, die Reform als gemeinsamen Initiativantrag ins Parlament zu bringen, sagte ein Sprecher von Kanzleramtsstaatssekretär Josef Ostermayer: "Wenn die ÖVP das nicht machen will, dann ist es bedauerlich, wenn es nicht kommt." Immerhin hätte die Reform einen Paradigmenwechsel beim Amtsgeheimnis gebracht. Eine Begutachtung sollte erfolgen, und zwar vom Verfassungsausschuss.

Geplant war die Sitzung des Ausschusses am 13. Juni. Der Beschluss des Gesetzes im Plenum des Nationalrats war für Anfang Juli vorgesehen. Ein ausführliches "Informationspflichtgesetz" hätte dann nach der Wahl folgen sollen. So hatte es die Koalition nach der letzten Sitzung ihrer Arbeitsgruppe Ende Mai angekündigt. Letzter offener Punkt war dem Vernehmen nach, ob und wie Staatsunternehmen in die neuen Transparenzregeln einbezogen werden.

Kopf versicherte der SPÖ zwar in einer Aussendung, er stehe "selbstverständlich zum Projekt einer Reform des Amtsgeheimnisses". "Wenn es eine Möglichkeit gibt", dann könne man die Reform auch im Herbst beschließen, hatte der VP-Klubchef schon zuvor bekundet.

Die Grünen kritisieren die "Zweimarkenstrategie" der ÖVP bei der Reform des Amtsgeheimnisses. "Während Kurz den Reformer vortäuscht, hat Kopf die Funktion des Bremsers", kritisierte Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser am Freitag. Mit ein wenig gutem Willen sei ein Beschluss vor der Wahl aber noch möglich. Kritik am vorläufigen Scheitern der Reform kommt auch von der neuen Partei NEOS. "Transparenz war schon bisher nicht die Stärke der Regierung, doch das Scheitern der bereits vereinbarten Lockerung des Amtsgeheimnisses schlägt dem Fass den Boden aus", so Vorsitzender Matthias Strolz.

Amtsgeheimnis heute - und morgen?

Bei der Reform geht es um die Frage, wie weit der Staat Bürgerinnen und Bürgern Einblick in seine Arbeit gewähren muss. Derzeit ist die Rechtslage unklar: Das Amtsgeheimnis steht in der Verfassung (Artikel 20) direkt vor der Auskunftspflicht der Behörden. Während das Amtsgeheimnis Beamte zur Verschwiegenheit über geheimhaltungswürdige Informationen verpflichtet, besagt die Auskunftspflicht, dass Auskunft über alles erteilt werden muss, was keiner Verschwiegenheit unterliegt. Das Kanzleramt legte eben im März einen Entwurf für eine neue Verfassungsbestimmung vor, die Amtsgeheimnis durch eine Reihe konkreter Geheimhaltungsbestimmungen ersetzen soll. In allen anderen Fällen ist ein "Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen" vorgesehen. Details soll ein noch nicht vorliegendes Informationsfreiheitsgesetz regeln, das den bisher bekannten Plänen zufolge auch ein Recht auf Akteneinsicht bringen würde sowie die automatische Veröffentlichung bestimmter Unterlagen im Internet. Nicht erfasst sind aber u.a. öffentliche Unternehmen, die Länder sollen eigene Gesetze erlassen.

Für Kritiker bedeutet das Amtsgeheimnis willkürliche Geheimhaltung staatlicher Informationen. Der Initiative Transparenzgesetz.at geht der Entwurf des Kanzleramts nicht weit genug. Sie hat am Dienstag einen eigenen Vorschlag im Internet veröffentlicht. Darin ist neben einem verfassungsrechtlichen Bekenntnis des Staates zur "umfassenden Transparenz" auch die Auskunftspflicht staatlich beherrschter Unternehmen vorgesehen. Zudem soll die Verwaltung auch per Verfassung angehalten werden, ihre Unterlagen von sich aus im Internet zu veröffentlichen und nicht erst auf Anfrage. Außerdem sieht der Entwurf einheitliche Transparenzregeln für Bund, Länder und Gemeinden vor.

An einen Beschluss im Herbst glaubt die Initiative nicht. Der Politikwissenschafter Hubert Sickinger hält einen Beschluss "mitten im Wahlkampf" für unrealistisch: "Wenn es vor der Sommerpause nicht kommt, dann ist es aufgeschoben, dann haben die Regierungsparteien erfolgreich Zeit verloren."

Demokratiepaket auf Schiene

Zuversichtlich ist Kopf anders als beim Amtsgeheimnis hingegen beim Demokratiepaket. Hier soll ab kommender Woche mit der Opposition verhandelt werden. Kopf sieht beide Projekte - Demokratiepaket und Informationsfreiheitsgesetz - als verwandte Themen, weil es in beiden Fällen um intensivere Bürgerbeteiligung geht. Die "Mitwirkung an der Gesetzgebung" beim Demokratiepaket sei auf gutem Weg, betont Kopf: "Ich gehe davon aus, dass wir das bis Juli beschließen können."

Das Demokratiepaket soll u.a. eine Aufwertung erfolgreicher Volksbegehren durch verpflichtende Volksbefragungen bringen. Kopf geht davon aus, dass man sich in den nächsten Tagen mit der SPÖ auf die letzten offenen Fragen einigen wird. Verhandlungen mit der Opposition soll es ab kommender Woche geben. Kopf geht weiterhin davon aus, dass zehn Prozent der Wahlberechtigten eine "sehr brauchbare Größenordnung" für die Einleitung von Volksbefragungen sind. Ob auch Volksbefragungen über Steuergesetze möglich sein sollen, will er noch nicht beurteilen. "Da brauchen wir noch ein, zwei Tage."

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