Alles eine Erziehungssache

Sollen Wiens Stadtpolitiker Deos in der U-Bahn verteilen? Ja, wenn es hilft...
Martina Salomon

Martina Salomon

Kennen Sie „Nudging“? Dabei geht es darum, Menschen mit kleinen, freundlichen Aktionen zu steuern. Berühmtestes Beispiel dafür: Eine Fliege oder ein Fußballtor im Zentrum des Pissoirs öffentlicher Toiletten, um Männer zu „gezieltem“ Verhalten zu motivieren. Müssen wir Menschen wirklich erziehen? Klingt unsympathisch und einer liberalen Gesellschaft nicht würdig. Dennoch scheint es nötig zu sein.

Daher haben Wiener Mistkübel ein lustiges aufgemaltes Gesicht, und Stadträtin Ulli Sima verteilt Deos an Fahrgäste. Darüber hinaus sollen stark riechende Speisen als Pilotversuch in der U6 verboten werden. Alkohol ist das übrigens schon längst, dennoch (über)sieht man dort die eine oder andere Bierdose. Natürlich sind solche PR-Aktionen auch ein Eingeständnis, dass nicht alles so wunderbar funktioniert, wie gern verkündet. Und ein Ablenkungsmanöver: Denn der Baustellensommer ist intensiv wie nie. Wer auf öffentliche Verkehrsmittel ausweicht, leidet unter langen Intervallen im Sommerfahrplan und findet sich eingekeilt in überfüllten Waggons wieder. Ab 2019 bekommt das für viele Jahre durch den Bau der neuen U5 (ist sie wirklich notwendig?) eine neue Dimension: U2-Teilsperre und umfangreiche Straßensperren (Landesgerichtsstraße) werden uns quälen. Was möglicherweise ganz im Sinne der grünen Verkehrspolitik ist, die das Rad als Hauptverkehrsmittel auserkoren hat, dem alles unterzuordnen ist.

 

Unangenehmerweise ist schlechtes Benehmen aber bis in die Weltpolitik vorgedrungen. Man lässt die (etwas übertrieben ausgelassene) kroatische Präsidentin beim WM-Finale im Regen stehen, beschirmt aber Wladimir Putin. Und Trump hat überhaupt eine neue „Benimm“-Ära eingeleitet. Zunehmend werden Politiker sogar genau deshalb gewählt, weil sie auf Konventionen (und Manieren) pfeifen. Dagegen hilft leider auch kein Deo mehr.

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