EU

Alle Parteien für Türkei-Beitrittsstopp

Schieder, Lopatka, Strache, Aslan, Strolz, Lugar (v.li.)
Österreichs Parlamentarier machen Druck auf Brüssel und Bundesregierung, die Verhandlungen mit Erdoğan-Regime auszusetzen.

Noch sind die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nicht abgebrochen, obwohl für viele EU-Politiker die "rote Linie längst überschritten" ist, wie Außenminister Sebastian Kurz sagt. Der Druck, die Gespräche zumindest auszusetzen, steigt aber täglich.

Schon am Montag beraten die EU-Außenminister auf Initiative Österreichs über das heikle Verhältnis zu Ankara und Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Bis dato hat sich in der EU aus Rücksicht auf den Flüchtlingsdeal keine Mehrheit für ein Ende der Verhandlungen mit der Türkei gefunden.

Nach einem sehr kritischen "Fortschrittsbericht" der EU-Kommission am Mittwoch, der u.a. die "schwerwiegende Verletzung der Rechtsstaatlichkeit" in der Türkei anprangert, legt nun das österreichische Parlament nach.

Die Klubchefs von fünf Parlamentsparteien plus die kurdisch-stämmige Grün-Abgeordnete Berîvan Aslan unterzeichneten am Donnerstag eine Erklärung, in der die "äußerst besorgniserregenden Entwicklungen in der Türkei" klar angesprochen werden. Geschlossen wird die Verhaftungswelle in der Türkei verurteilt und ein "Aussetzen" der Beitrittsverhandlungen gefordert. Weiter heißt es, dass die Bundesregierung "bei weiterer Eskalation den Abbruch der Beitrittsverhandlungen" in Brüssel fordern soll.

Aslan verhehlt im KURIER-Gespräch nicht, dass sie durchaus für eine noch schärfere Erklärung zu haben gewesen wäre. Etwa indem EU-Fördergelder für die Türkei – unabhängig vom Flüchtlingsdeal – gestrichen werden könnten oder wenigstens Österreichs Botschafter einberufen wird. Aslan: " Erdoğan setzt klare Zeichen, dass er kein Interesse am Friedensprozess mit den Kurden hat und den Flüchtlingsdeal platzen lassen will. Darüber nur besorgt zu sein, ist zu wenig. Jetzt müssen Taten gesetzt werden", sagt die Abgeordnete. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wettert gegen die Menschenrechtsverletzungen. Gehe diese Entwicklung in der Türkei weiter, sei der Beitrittsprozess zu "beenden". Europa dürfe sich nicht von Erdoğan erpressen lassen, sagt dazu ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka.

In Deutschland bremst die Regierung in der Beitrittsfrage, obwohl sie Erdoğans Vorgehen gegen die Opposition ebenso scharf kritisiert hat. Außenminister Frank-Walter Steinmeier reist nächste Woche erstmals seit dem Putschversuch Mitte Juli nach Ankara. Die deutsche Linke will das sofortige Aus der Beitrittsgespräche, die Grün-Abgeordnete Claudia Roth verurteilt Erdoğan als Totengräber von Rechtsstaat und Demokratie, will die EU-Tür aber noch nicht zuschlagen: "Zivilgesellschaft und Opposition in der Türkei brauchen uns mehr denn je."

Kommentare