Van der Bellen trifft Orbán
Besuche beim Nachbarn können unterschiedlich ausfallen. Im besten Fall wird es herzlich, im schlimmsten Fall mühsam, zu weit steht man auseinander. Zwischen Österreich und Ungarn, wohin Bundespräsident Alexander Van der Bellen gestern, Montag, reiste, gibt es gleich eine Reihe strittiger Themen: harter Flüchtlingskurs, restriktives Hochschulgesetz, das laut EU-Kommission gegen das Recht auf die akademische Freiheit verstößt.
Verfassung geändert
Eine EU-Rüge gab’s etwa für die Änderung der Verfassung, die Orbáns Fidesz-Partei gleich vier Mal zu ihren Gunsten umsetzte. Verfassungsrichter dürfen etwa Parlamentsbeschlüsse nicht mehr inhaltlich prüfen. Oder Orbáns ablehnende Haltung gegenüber der Flüchtlingsverteilung: Laut Quotenplan müsste Ungarn 1294 Asylsuchende aufnehmen. Orbán zog vor den EuGH und startete eine Medienkampagne.
Auch in den vergangenen Monaten traf er strittige Entscheidungen. Man denke an die Internierungslager für Flüchtlinge, die dort solange festgehalten werden, bis über ihren Status entschieden wird; oder das Hochschulgesetz, das ausländischen Unis vorschreibt, eine Niederlassung in ihrem Heimatland zu betreiben – das gefährdet etwa die renommierte Central European University, die vom ungarischstämmigen US-Investor George Soros gegründet wurde. Van der Bellen kündigte an, dass er die Lage der Uni in seinen Gesprächen thematisieren will.
Harte Zeiten für Medien
Mindestens so umstritten ist auch Orbáns Einfluss auf Medien. Sein Mediengesetz hält Medien zu "ausgewogener Berichterstattung" und "Stärkung der nationalen Identität" an. Kritische Online-Medien haben noch etwas mehr Spielraum, sie werden via Crowdfunding finanziert, berichtet Pethő András, Gründer des Rechercheportals "Direkt 36", dem KURIER. In den vergangenen Jahren tauchten gleich eine Reihe investigativer Plattformen auf, etwa "444" oder "budapest bacon".
Die Regierung wollte von der Aufdeckergeschichte um Orbáns Familien-Finanzen nichts wissen. Ganz gelang dies aber nicht. Im Parlament musste sich der Regierungschef erklären, ein kleiner Erfolg, findet der Journalist. Auch wenn Orbán alles beiseite wischte und meinte, was er mit seiner Familie bespricht, hat hier nichts verloren. Ob er auch die heiklen Themen, die sein Gast aus Österreich ansprechen will, beiseite wischt, wird sich zeigen.
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