„Agent Null-Null-Strasser“

Vor Gericht erreichte Ernst Strasser einen Etappensieg. Sein Urteil wurde vom Höchsgericht aufgehoben.
Der Ex-Innenminister lebt zurückgezogen in Bad Ischl.

Meistens sieht man ihn freitags beim Spazierengehen in der Innenstadt. Da schlendert Ernst Strasser dann durch den Wochenmarkt, flaniert zwischen den Ständen mit Obst und Gemüse, besieht sich das Weihnachtsallerlei. „Er ist unscheinbar unterwegs, man erkennt ihn kaum“, erzählt ein Standler dem KURIER. Der Verkäufer will auf kein Foto, sein Name soll nicht in der Zeitung stehen – bei „Agent Null-Null-Strasser“, wie sie den Ex-Minister hier in Bad Ischl nennen, streift man besser nicht an.

Die Kaiserstadt also. Strasser hat hier ein kleines Haus, Einheimische nennen es eine „Villa “. Wovon der prominente Ex-Politiker lebt, weiß niemand. Man fragt nicht, Strasser erzählt nichts. Und mit Journalisten pflegt der gefallene ÖVP-Politiker seit Monaten keinen Kontakt. „Mein Mandant gibt keine Interviews“, sagt Anwalt Thomas Kralik.

Etappensieg im Verfahren

Dabei gäbe es so viel zu kommentieren. Kein Geringerer als der Oberste Gerichtshof bescherte Strasser zuletzt einen Etappensieg, indem er das erstinstanzliche Urteil gegen Ernst Strasser aufhob.

Die Höchstrichter bestätigten zwar, dass der 57-Jährige als EU-Parlamentarier gegen Bezahlung EU-Gesetze beeinflussen wollte. Welche „Amtsgeschäfte“ genau Strasser die kolportierten 100.000 Euro wert gewesen wären, das hat der Erst-Richter aber nicht ausreichend argumentiert. Die Konsequenz: Das Urteil wurde aufgehoben, vier Jahre Haft sind vom Tisch, ein Freispruch wieder möglich.

Strasser hätte also Grund zur Freude, doch von bürgernaher Gelöstheit des einst leutseligen Bundespolitikers erzählt in Bad Ischl niemand.Vielleicht liegt es auch daran, dass der OGH-Spruch für den Privatier Ernst Strasser vorerst nicht wirklich viel geändert hat. Er bleibt ein Paria, ein Unberührbarer.

„Es ist nicht nur so, dass man mit ihm nicht gesehen werden will. Man tut so, als hätte es ihn nie gegeben“, sagt ein Strasser-Freund zum KURIER. Der ÖVP-nahe Manager hat den Ex-Minister erst vor wenigen Tagen gesprochen und weiß: Partei und Geschäftswelt halten sich tunlichst fern. „Im Inland macht der Ernstl keine Geschäfte. Natürlich trifft er sich mit Unternehmern, die in Osteuropa investieren. Aber um große Aufträge geht’s da nicht.“

Der Ex-Minister als Vermieter

Als einzige sichere Einnahmequelle blieben damit zuletzt zwei Häuser – eben jenes in Bad Ischl und ein weiteres auf Mallorca.

Strasser hat die Objekte via Homepage beworben und vermietet. Doch das scheint vorbei, die Seite wurde gelöscht. „Es ist gut möglich, dass er die Bleibe in Mallorca zu Geld gemacht hat“, spekuliert der Freund.

Sinn würde es machen, denn heute lebt Strasser weitgehend von Erspartem. Laut eigenen Angaben ist sein Privatvermögen von 120.000 auf 30.000 Euro geschrumpft. Und auch das Kapital seiner mittlerweile einzigen Firma, der „GP Beteiligungs- und VerwaltungsgmbH“, schrumpft jedes Jahr. Von den 592.000 Euro Gewinn 2011 waren im Vorjahr nur noch 252.000 übrig.

In Strassers Nachbarschaft wird wenig mit ihm gesprochen. „Man grüßt sich, nicht mehr “, sagt eine Pensionistin. „Zu Allerheiligen war er mit der Lebensgefährtin da. Aber sonst hört und sieht man kaum etwas“, erzählt eine andere Nachbarin. Sie will Strasser nichts Böses. „Ich lese keine Zeitung. Für mich ist er ein normaler Nachbar, ein ganz Netter.“

Der Ex-Minister ist auch an diesem Tag in Ischl – der in der Nacht gefallene Schnee wurde vormittags weggekehrt.

„Normal“ und „nett“ hat sie ihn genannt, die Nachbarin. Was würde Ernst Strasser wohl geben, damit sie das auch am Ischler Wochenmarkt oder in Wien über ihn sagen?

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