Ärzte wehren sich gegen Spione in den Ordinationen

Ärzte wehren sich gegen Spione in den Ordinationen
Krankenkassen erhalten mehr Rechte als die Polizei: Sie können Ärzte mit gefälschten Angaben aufs Glatteis führen.

Die Ärzte schreien auf. Neuerlich wegen des "Mystery Shopping", das es künftig geben soll. Im Juli wurde das entsprechende Gesetz im Parlament beschlossen. Die Absicht: Sozialbetrug, also nicht gerechtfertigte Krankenstände oder Missbrauch von eCards hintanzuhalten. Krankenkassen sollen im Verdachtsfall Testpatienten schicken können, um zu prüfen, ob Ärzte Leistungen ordnungsgemäß verrechnen – und Krankenstände nur jenen gewähren, die krank sind. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat die Richtlinien dazu erstellt – dem KURIER liegen sie vor.

Wer kontrolliert Kontrolle?

Erwin Rasinger, ÖVP-Mandatar und Allgemeinmediziner, hat die Richtlinien rechtlich prüfen lassen. 21 Punkte werden beanstandet. Es heißt etwa: "Wer kontrolliert die Kontrollore? – Vorkehrungen fehlen", "Bild- und Tonaufnahmen – Verbot fehlt", "Falschangaben gegenüber dem Vertragspartner sind uneingeschränkt zulässig", "Ermittlungsbefugnis für GKK auch bei strafrechtlichem Verdacht ohne gesetzliche Grundlage", "Es fehlt eine klare Definition, wann ein begründeter Verdacht vorliegt".

Das Fazit der Rechtsprüfung: "Im Vergleich zu den gesetzlichen Voraussetzungen und den Rechtsschutzvorkehrungen im Staatsschutzgesetz, im Sicherheitspolizeigesetz und in der Strafprozessordnung bei der Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und schweren Straftaten im Zusammenhang mit verdeckten Ermittlungen, Mitwirkung Dritter, Bild- oder Tonaufnahmen, Scheingeschäft und der Ausstellung unrichtiger Dokumente räumt der Entwurf den Sozialversicherungs-trägern völlig außer Verhältnis stehende Befugnisse bei der Vertragspartnerkontrolle ein und verletzt dadurch das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichheitsgrundsatz."

"Unverschämtheit"

Von einem "Affront" spricht die Ärztekammer – ob der "uneingeschränkten Handlungsspielräume der ,Mystery Shopper‘". Diese "Agents provocateurs" müssten weder "konkrete Qualifikationen" haben, noch würden sie selbst kontrolliert. "Ärztinnen und Ärzte, die überprüft werden, können sich in keiner Form wehren und haben keinerlei Rechtsschutz. Dass die Sozialversicherung die Ärzteschaft als Vertragspartner so behandelt, ist eine Unverschämtheit, die wir nicht akzeptieren werden", sagt der Wiener Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart. Die Sozialversicherung dürfe die Richtlinien nicht wie vorgesehen am 23. Februar beschließen.

Ärzte wehren sich gegen Spione in den Ordinationen

ÖVP-Ärztevertreter Rasinger, der gegen das Gesetz gestimmt hat, sagt: "Ich bin für Korrektheit. Hier agieren die Kassen wie Elefanten im Porzellanladen. Meine schlimmsten Befürchtungen werden weit übertroffen. Man macht aus dem Arzt-Patienten-Verhältnis ein prinzipielles Misstrauensverhältnis. Das ist weltweit einmalig." Es gehe nicht an, "dass unter vier Augen eine gefälschte Krankengeschichte präsentiert und herumgelogen wird, um zu schauen, wie der Arzt damit umgeht – und sogar ein Tonband mitlaufen lässt. Das darf nicht einmal die Polizei bei verdeckten Ermittlungen." SPÖ-Gesundheitsministerin Oberhauser müsse "eingreifen".

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