599 Spartipps für die Koalition

599 Spartipps für die Koalition
Rechnungshof macht Regierung Mut: Wo die Spar-Milliarden zu holen sind – von der Gesundheit über die Schulen bis zu den Pensionen.

München hat 1,7 Millionen Einwohner und 25 Polizei-Inspektionen, deren Polizisten zwei Drittel ihrer Zeit im Außendienst verbringen. Wien hat 1,7 Millionen Einwohner und 96 Polizei-Inspektionen, deren Polizisten nur 41 Prozent ihrer Zeit im Außendienst verbringen. Das zeigt, wie ineffizient in Österreich Teile der Verwaltung organisiert sind. Würde man die Wiener Polizisten vom Schreibkram in der Wachstube entlasten, wären sie nicht nur öfter auf Streife, der Staat würde sich auch jährlich 8,4 Millionen Euro sparen (österreichweit insgesamt zehn Millionen). Das Beispiel stammt aus dem neuesten Papier des Rechnungshofes (RH) zur Verwaltungsreform, das am Donnerstag veröffentlicht wurde. Darin finden sich insgesamt 599 Vorschläge, die für mehr Effizienz, Qualitätsverbesserungen und niedrigere Kosten sorgen sollen.

Schuldenbremse

599 Spartipps für die Koalition

Viele davon sind seit Langem bekannt, wurden bis dato aber nicht realisiert. Jetzt, da die Regierung bis 2017 jedes Jahr zwei Milliarden einsparen soll, steigt der Druck, die Forderungen des Rechnungshofes umzusetzen. "Die Diskussion um die Schuldenbremse zeigt, wie notwendig das alles ist", sagt RH-Präsident Josef Moser. Er plädiert dafür, die Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern; darum wurde zwischen Regierung und Opposition auch gestern wieder gerungen. Es sei gut, sagt Moser, dass man sich grundsätzlich zur Schuldenbremse bekannt habe. "Das Bekenntnis erfordert aber auch eine inhaltliche Ausfüllung des Rahmens." Die großen Brocken, die angegangen werden müssen sind: das Gesundheitswesen, der Pflegebereich, die Schulverwaltung, das Förderwesen und die Pensionen.

Beispiel Polizei

Gesundheit: Die Ausgaben für das Gesundheitssystem sind in Österreich zwischen 1998 und 2009 um 59 Prozent gestiegen (von 19 auf 30 Milliarden Euro). Hier könnte man in verschiedenen Bereichen ansetzen: Spitäler könnten zusammengelegt werden; Bereiche wie Reinigung, Küche und Labore mehrerer Krankenhäuser könnten fusioniert werden (Sparpotenzial: 7,5 Mio. Euro pro Jahr). Österreich hat 6,4 Akutbetten je 1000 Einwohner, im EU-Schnitt sind es 3,8. Einsparungspotenzial: 2,9 Milliarden Euro.

Pflege: Der Pflegebedarf wird in den nächsten Jahren massiv steigen. Die Finanzierung der Pflege ist oft extrem komplex. In Tirol etwa gibt es für die Finanzierung eines Heimplatzes bis zu 19 Zahlungsströme: Der Bund überweist das Pflegegeld zum Beispiel an die PVA, von dort geht es an den Bewohner, der es an den Gemeindeverband weiterleitet, damit dieser das Land zahlt. Das Land zahlt den Tarif an die Gemeindeverbände, die die Umsatzsteuer an den Bund abführt – damit dieser in selber Höhe eine Förderung an das Land vergibt.

Förderungen: Österreich ist Förder-Weltmeister; der RH empfiehlt der Politik, den Förder-Dschungel mit vielen Doppelgleisigkeiten zu durchforsten. Ein Beispiel: Für die Familienleistungen vom Kindergeld bis zur Familienbeihilfe sind sieben Ministerien und viele Länderstellen zuständig. In Kärnten werden etwa 25 verschiedene Familienförderungen ausgezahlt.

Schule: Trotz sinkender Schülerzahlen sind die Bildungsausgaben pro Kopf in den letzten Jahren gestiegen; Österreich liegt weit über dem OECD-Schnitt. Ein schulmäßiges Beispiel für Ineffizienz: Für land- und forstwirtschaftliche Schulen sind gleich zwei Ressort zuständig, Schul- und Landwirtschaftsministerium. Ersteres erstellt die Lehrpläne, Zweiteres stellt Lehrer an und ernennt Direktoren.

Pensionen: Ein Spar-Vorschlag von vielen: Die Harmonisierung der Pensionssysteme von Bund, Ländern und Gemeinden. Allein die Abschaffung von Privilegien auf Landesebene würde 714 Millionen Euro einsparen. Wie viel die 599 Sparvorschläge in Summe bringen, darauf will sich der Rechnungshof nicht festlegen. Klar ist aber, dass in der Verwaltung ein Sparpotenzial von mehreren Milliarden schlummert.

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