200 Bälle und elf Tonnen Kleidung für Flüchtlinge

200 Bälle und elf Tonnen Kleidung für Flüchtlinge
Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil flog nach Amman und brachte Flüchtlingen Winterkleidung.

Yazan hat immer noch Albträume vom Krieg in Syrien. Er war zwei Jahre alt, als er miterleben musste, wie sein Vater vor seinen Augen von Handlangern des Assad-Regimes brutal geschlagen wurde. Vier Jahre und eine lange Flucht – von Aleppo nach Jordanien – später sitzt er als Flüchtlingskind in Amman in der Schule. Hier versucht er, die Traumatisierung der Kriegsjahre in Syrien zu vergessen. In unzählige traurige Kindergesichter wie jenes von Yazan blickt Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil bei seinem Schulbesuch in Jordanien. "Einige Kinder lächeln, aber man sieht auch viele Gesichter, die nichts zu lachen haben", meint Doskozil nachdenklich.

Die Kinder sitzen mit Hauben, in Pullis und in Jacken gehüllt, in den Klassen, weil die Schule schlecht beheizt ist. Bei knapp 15 Grad lernen sie Mathematik, Englisch, Arabisch. Es sind reine Flüchtlingsklassen. Den Kindern fehlt es an allem: Unterrichtsmaterial, Kleidung, Essen – vor allem aber an Liebe und Selbstwertgefühl. 90 Prozent der Flüchtlingsfamilien in Jordanien leben an der Armutsgrenze. "Wir müssen den Eltern das Gefühl geben, dass ihre Kinder eine Zukunft haben. Sonst werden die Mädchen aus finanziellen Gründen jung verheiratet oder die Burschen werden an extremistische Gruppe verkauft. So finanzieren die Familien ihr Leben. Dagegen hilft nur Bildung", so eine der Lehrerinnen.

Elf Tonnen Winterkleidung

Als der Verteidigungsminister die Klassen betritt, rufen die Kinder freudig den einstudierten Satz "Thank you, Namsa." ("Danke, Österreich"). Doskozil ist nicht mit leeren Händen gekommen. Gemeinsam mit der Volkshilfe und dem Samariterbund hat das Bundesheer eine Hilfsaktion für syrische Flüchtlingskinder in Jordanien ins Leben gerufen.

200 Bälle und elf Tonnen Kleidung für Flüchtlinge
Transport von Kinderbekleidung für syrische Flüchtlinge nach Jordanien mit BM Doskozil und vertretern Volkshilfe und Arbeiter Samariterbund am 14 12 2016
Am Mittwoch brachten zwei Hercules-Transportmaschinen des Bundesheeres elf Tonnen Winterkleidung nach Amman. "Damit können 5000 Flüchtlingskinder unterstützt werden. Wir können nicht immer nur davon sprechen, dass wir Hilfe vor Ort leisten wollen. Diese Aktion soll nur der Auftakt sein", so Doskozil. Doch kein Sweater und keine Winterjacke konnte die Kinderaugen so zum Strahlen bringen wie die 200 Bälle, die Doskozil ebenfalls als Geschenk mitbrachte.

Ausgesucht hat sich der Verteidigungsminister für die Aktion ein ganz besonderes Hilfsprojekt. Das "Middle East Children’s Institute" unterrichtet in Jordanien an 20 Schulen an die 7000 Flüchtlingskinder. Vormittags drücken die jordanischen Kinder die Schulbank, nachmittags stehen die Schulen für Flüchtlinge offen. Läppische 500 Dollar kostet die Finanzierung eines ganzen Schuljahres. Damit kann vor allem eines gegeben werden: Hoffnung. "Die Kinder brauchen eine Perspektive. Deswegen soll diese Aktion auch nur ein erster Schritt sein", verspricht der SPÖ-Minister.

Schon im Frühjahr möchte er den nächsten Transport – dann möglicherweise mit Schulmaterialien nach Jordanien – organisieren. Eine Perspektive hat auch der siebenjährige Yazan wieder. Als das "Middle East Children’s Institute" ihn in die Schule aufnahm, war er im Unterricht unaufmerksam. "Er konnte keinen Bleistift halten und schreiben. Er wurde schnell müde und traurig", erzählt Lola Grace, Gründerin des Institutes. Mit viel Geduld und Einsatz haben die Lehrerinnen Yazan nun zu einem begeisterten Schüler gemacht.

Neuer Flüchtlingsstrom?

Jordanien steht vor einer Herkules-Aufgabe. 1,5 Millionen Flüchtlinge leben im Land. Damit ist die jordanische Gesellschaft an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt: Innerhalb der letzten Jahre stieg die Arbeitslosigkeit auf 30 Prozent an. Der illegale Arbeitsmarkt floriert aufgrund der hohen Anzahl an Flüchtlingen. 80 Prozent der Flüchtlinge leben nicht in den Flüchtlingscamps, sondern in den Städten. Hier wohnen nicht selten gleich drei bis vier Familien auf engstem Raum. Angesichts der prekären Situation ist die Grenze zwischen Jordanien und Syrien mittlerweile Sperrgebiet. Der jordanische Regierungschef Hanial-Mulki berichtete beim seinem Meeting mit dem Verteidigungsminister von seinen Befürchtungen, dass sich nach der Befreiung der syrischen Stadt Aleppo und der irakischen Metropole Mossul die Kämpfe verlagerten und damit "die Flüchtlingsströme mehr werden", sagte Doskozil.

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