Moria: Debatte um Hilfe treibt Keil zwischen Grüne und ÖVP

Vizekanzler Werner Kogler, Kanzler Sebastian Kurz, Gesundheitsminister Rudolf Anschober
Auslandskatastrophenhilfe wird verdoppelt. Dennoch steigt Druck auf ÖVP-Kanzler Kurz, Kinder aus Griechenland aufzunehmen.

Die Lage spitzt sich zu. Dieser Satz gilt nicht nur für die Flüchtlinge auf Lesbos, die unter teils menschenunwürdigen Bedingungen ihr Dasein fristen; er gilt mittlerweile auch für das Binnenverhältnis zwischen den Grünen und der Volkspartei, die in der Frage, ob Flüchtlingskinder aus dem abgebrannten Lager Moria nach Österreich geflogen werden sollen, weiterhin einander widersprechende Positionen vertreten.

Nachdem die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer die ablehnende Haltung der ÖVP als „unwürdig“ und „zynisch“ bezeichnet hat, blieb auch Parteichef Werner Kogler am Samstag dabei: Österreich soll Kinder aufnehmen. „Wenn das sogar der Herr Söder (Bayerns Ministerpräsident, Anm.) schafft und jetzt auch der niederländische Premier, der Herr Rutte, dann kann das Österreich auch schaffen“, sagte Kogler mittags auf Ö1.

Auf Linie seines Parteichefs Kurz hatte sich zuvor der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) im Ö1-Morgenjournal gezeigt, wo er sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria aussprach, weil er "die Methode der Erpressung zutiefst ablehne", sagte er mit Blick auf Berichte, wonach das Lager von Insassen angezündet worden sei.

Zuvor hatte sich Kanzler Sebastian Kurz via Facebook an die Öffentlichkeit gewandt und erklärt, dass die Bilder aus Moria in ihm Betroffenheit auslösen würden.

In der Sache will der ÖVP-Chef seine Haltung aber nicht ändern. „Wenn wir diesem Druck nachgeben, riskieren wir, dass wir die selben Fehler wie 2015 machen“, sagte Kurz. Er könne das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren.

Boulevard will "mehr Gefühl"

Ob es dabei bleibt oder bleiben kann, wird sich weisen. Denn der Druck steigt allerorten. Österreichs größte Boulevardzeitung schloss sich gestern der Forderung von Grünen und Vertretern der Kirche an und positionierte sich klar auf Seiten der Flüchtlings-Kinder und titelte: „Regierung muss mehr Gefühl zeigen“.

Dem nicht genug, mehren sich auch in der ÖVP die Stimmen, die einen Kurswechsel von der türkisen Bundespartei fordern.

Eine davon ist die Tiroler ÖVP-Landesrätin Beate Palfrader, die am Samstag öffentlich ihren Aufruf wiederholte, die christlich-sozialen Wurzeln der ÖVP nicht zu ignorieren. „Wir haben eine Verpflichtung zu helfen“, sagte Palfrader. „Die Aufnahme von Kindern und Jugendlichen ist eine humanitäre Aufgabe.“

Moria: Debatte um Hilfe treibt Keil zwischen Grüne und ÖVP

Wohl auch um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, vereinbarte die türkise Regierungsspitze am Wochenende mit den Grünen zwei Maßnahmen: Bereits nächste Woche sollen vom Innenministerium 400 voll ausgestattete Unterkünfte für 2000 Personen nach Griechenland geschickt werden. Mit an Bord der Maschinen nach Lesbos sollen ein Arzt und zehn Sanitäter des Bundesheeres sein.

Darüber hinaus will die Bundesregierung den Auslandskatastrophenfonds von 25 auf 50 Millionen Euro verdoppeln – und zwar beginnend mit 2020; bis Ende der Legislaturperiode wird das Volumen auf 60 Millionen Euro ansteigen.

Moria: Debatte um Hilfe treibt Keil zwischen Grüne und ÖVP

Die Debatte um die Aufnahme von Flüchtlingskindern ist damit freilich nicht erledigt. Denn während Bundeskanzler Sebastian Kurz zuletzt darauf hingewiesen hat, dass Österreich allein im Jahr 2020 schon 3700 Kinder aufgenommen hat, sagte Vizekanzler Kogler noch am Samstag beim Wahlkampfauftakt der Wiener Grünen, dass neben der Klima- und Corona-Krise auch eine "Menschlichkeitskrise" zu bekämpfen sei. Kogler: "Wenn es darum geht, Kinder von den Elendslagern auf griechischen Inseln wegzubringen, dann stehen wir da sicherlich auf der Seite der Menschlichkeit und des europäischen Geists der Solidarität. Birgit Hebein hat hundert Plätze für Kinder in Wien angeboten. Danke dafür! Wir werden auf Bundesebene auch nicht locker lassen.“

Herbe Hebein

Die angesprochene Wiener Vizebürgermeisterin ließ es in ihrer Wahlkampfrede an Schärfe gegenüber "den Türkisen", wie sie die Kanzlrpartei nennt, nicht fehlen. "Mir reicht diese Diskussion an Unmenschlichkeit. Wir führen diese Debatte, weil wir Wiener Wahlkampf haben. Der türkisen Partei ist es wichtiger, 100 Stimmen von der FPÖ zu bekommen als 100 Kinder zu retten", sagte Hebein unter großem Applaus der anwesenden grünen Funktionäre. Auch die Minister - das gesamte Regierungsteam von Rudolf Anschober über Leonore Gewessler und Alma Zadic bis zum Vizekanzler - saß in der ersten Reihe und applaudierte.

 

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