"Man hat uns nur drei Monate gegeben"

Nach Auszeit wegen Burn-outs voller Tatendrang: Rudi Anschober schaffte auch „private Energiewende“
Rudi Anschober wagte in Oberösterreich die Premiere: Seine Bilanz.

Kommenden Mittwoch feiert Schwarz-Grün in Oberösterreich das zehnjährige Jubiläum. Und Grüne sind mittlerweile in den Bundesländern in fünf Koalitionen vertreten.

KURIER: Jeder Österreicher weiß, dass die Grünen in Oberösterreich mitregieren, weil man auf der Autobahn bei Linz nur einen Hunderter fahren darf. Finden Sie das gut?

Rudi Anschober: (Lacht) Ja. Aber man sieht auch ein paar Kilometer weiter bei Eberstalzell einen der größten Solarparks Österreichs. Und beim Industriegebiet der Voest gab es eine Ausbau mit 500 neuen Arbeitsplätzen, wo trotz Produktionssteigerung die Emissionen zurückgegangen sind. Das ist grüne Handschrift.

Sie waren der erste grüne Landesrat in einer Koalition. Was waren damals die Bedenken?

Schon die Ansage, mitregieren zu wollen, obwohl wir vor der Wahl nur bei 5,7 Prozent lagen, war schon sehr mutig. Wir haben bei der Wahl nur sehr knapp die Hürde für den Landesrat geschafft. Dann gab es ein großes Entgegenkommen der ÖVP. Obwohl damals Wetten liefen, ob die schwarz-grüne Koalition drei Monate hält – oder drei Wochen.

Sie regieren jetzt seit zehn Jahren mit der ÖVP. Was haben Sie anders gemacht als Schwarz-Rot?

Abgesehen von den 45.000 „green jobs“, der Energiewende und dem starken Umweltschutz? Hervorheben würde ich die neue politische Kultur. Davor gab es in Oberösterreich 57 Jahr lang eine große Koalition, mit einer ähnlichen Un-Kultur wie im Bund, mit Blockade, Stagnation, Stillstand. Das haben wir aufbrechen können.

Einen neuen Stil will Rot-Schwarz im Bund jetzt auch einführen. Aber was soll das sein?

Wir machen zum Beispiel nicht die klassischen Muskelspiele. Die Menschen erleben eine sehr harmonische Koalition. Dort, wo es inhaltlichen Streit gibt, wird lange verhandelt, und nicht über die Medien Streit geschürt.

Aber wie wollen Sie da als kleiner Juniorpartner in der Regierung Ihr Profil zeigen?

Das stimmt, Differenzen werden so weniger sichtbar, und das ist schwieriger für den kleineren Partner, keine Frage. Aber im Sinn der Sache ist dieser Weg goldrichtig.

Vor etwas mehr als zehn Jahren scheiterten dafür im Bund die Verhandlungen zwischen Schwarz-Grün. Eine große verpasste Chance?

Es war eine große Chance. Aber dem Sascha (damaliger Grünen-Chef Alexander Van der Bellen, Anm.) war bei den Verhandlungen zum Schluss klar, dass die grünen Inhalte für eine grüne Regierungsbeteiligung nicht reichen. Ich finde, das zeichnet uns auch aus, dass wir das nicht aus Selbstzweck machen.

Haben Sie etwas an Ihrem Arbeitsalltag geändert – seit Ihrer dreimonatigen Auszeit im vergangenen Jahr wegen Burn-outs?

Ja, ich lege sehr viel Wert auf eine gute Energiebalance zwischen Freizeit und Beruf. Ich nehme mir heraus, an einem Tag in der Woche nicht zu arbeiten, meist am Sonntag. Das hat meine Kreativität enorm gesteigert und meine Arbeitsqualität verbessert. Man könnte sagen, das war meine private Energiewende.

Damals, vor zehn Jahren, herrschten für die Grünen schlimme Zeiten. Es gab eine Fundamentalopposition gegen Schwarz-Blau II, gegen VP-Kanzler Schüssel, gegen den Eurofighter-Ankauf und gegen die Asylgesetze von Innenminister Ernst Strasser.

Dann machte in Oberösterreich der damals 43-jährige grüne Landeschef Rudi Anschober das Unfassbare: Er koalierte mit der ÖVP, was der schwarze Nationalratspräsident Andreas Khol als „kühnes Experiment“ abqualifizierte.

Am zornigsten waren die Linzer Stadt-Grünen, sie planten noch am Tag der Angelobung der ersten schwarz-grünen Landesregierung „als deutliches Zeichen“ den Sitz der oberösterreichischen Grünen, das „Grüne Haus“, zu verlassen – und verlangten eine Urabstimmung. Erst der grüne Bundeschef Alexander Van der Bellen konnte kalmieren.

„Wir stehen gut da“

Kommenden Mittwoch, am 23. Oktober, feiert Schwarz-Grün in Oberösterreich Zehn-Jahres-Jubiläum. Das Auffälligste in den vergangenen zehn Jahren war die Unauffälligkeit der schwarz-grünen Regierung. Oberösterreich hat sich durchaus positiv entwickelt, die Beschäftigungsquote ist überdurchschnittlich, die Arbeitslosenquote unterdurchschnittlich. Bis 2030 soll das Land durch Bio-, Wind- und Wasserkraft energieautark sein.

Aber auch die Spitals- und Verwaltungsreform haben gegriffen. „Wir stehen budgetär trotz Krise sehr gut da“, sagt VP-Landeshauptmann Josef Pühringer, dem nur lobende Worte für seinen Juniorpartner einfallen. „In Oberösterreich hat diese Koalition von Anfang an gut funktioniert. Wir versuchen, Streitigkeiten nicht nach außen zu tragen, es geht um leben und leben lassen.“ Dazu kommt, dass etwa die SPÖ-Opposition vor allem mit sich selbst beschäftigt ist, etwa in Linz.

Unterm Strich hat für Politikberater Thomas Hofer allerdings die ÖVP mehr von der „harmonischen“ Koalition profitiert: „Das grüne Hütchen hat Pühringer jetzt auch auf.“

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