Indien: Heiraten aus Liebe verboten

Indien: Heiraten aus Liebe verboten
Eine indische Kleinstadt erlässt ein Dekret, welches Frauenrechte stark einschränkt. Wer aus Liebe heiratet oder ohne Aufsicht einkaufen geht, muss den Ort verlassen.

Einkaufen ohne Begleitung, Mobiltelefone, Liebesheiraten -  all dies ist für Frauen einer indischen Kleinstadt künftig verboten.

Der Stadtrat von Asara in der Region Baghpat, 40 Kilometer von der Hauptstadt Neu Delhi entfernt, hat ein Dekret für Frauen unter 40 Jahren erlassen. Kopfbedeckungen sind für die weibliche Bevölkerung nun genauso Pflicht, wie eine Aufsichtsperson beim Marktbesuch. Offiziell dienen die Verbote der Vorbeugung von sexuellen Übergriffen.

Die Beschlüsse haben in Indien für Entrüstung gesorgt. Viele Medien titelten, dass nur wenige Kilometer von Neu Delhi entfernt, Frauen in einer "Taliban-Ära" leben würden. Die Behörden überprüfen derzeit die Rechtmäßigkeit des Dekretes.

Besonders umstritten ist das Verbot von Liebeshochzeiten. Jede aus tatsächlicher Zuneigung geschlossene Verbindung, hat einen Ausschluss aus der Gemeinde zur Folge. Jeder der dem Ehepaar helfe, werde ebenfalls der Stadt verwiesen.

In Indien spielt die arrangierte Ehe auch heute noch eine sehr starke Rolle. Immer noch üblich ist eine Heirat innerhalb der sozialen und gesellschaftlichen Kasten. Liebesheiraten sind aber, vor allem in der städtischen Mittelschicht, üblich. Ein Verbot von Liebeshochzeiten stößt deshalb auf großes Unverständnis.

Ranjana Kumara, Direktorin des Zentrum für Soziale Recherche, kommentierte das Verbot in der Zeitung The Hindu folgendermaßen: "Anstatt gegen die sexuellen Übergriffe Maßnahmen zu ergreifen und die Schuldigen zu bestrafen, bestraft die Stadtregierung die Frauen. Das ist barbarisch und gedankenlos. Es widerspricht außerdem der Verfassung".
Das sieht auch die staatliche Frauenkommission so. Laut offiziellen Sprechern wird ein Bericht erstellt, der die Gegebenheiten untersuchen solle.

30 Prozent Frauenquote im Parlament

Indien: Heiraten aus Liebe verboten

Zumindest auf dem Papier sind Indiens Frauen gleichberechtigt: Die Verfassung garantiert ihnen Gleichheit vor dem Gesetz. Abtreibung ist legal. Zudem wurde im Oktober 2006 ein Gesetz erlassen, welches häusliche Gewalt unter Strafe stellt. Vor zwei Jahren wurde sogar eine Frauenquote im Parlament beschlossen: Ein Drittel der Abgeordneten müssen seither weiblich sein. Indien ist außerdem eines der Länder, in denen Frauen hohe Ämter belegen: Sonia Gandhi ist die mächtigste Politikerin des Landes, sie führt die regierende Kongresspartei an. Pratibha Patil ist Staatspräsidentin des Ein-Milliarden-Volkes. Und Indra Nooyi ist erfolgreiche Chefin vom Milliarden-Konzern Pepsi.  

Aber Indiens Frauen stehen auch ganz unten: 400 Millionen Frauen sind unterernährt. Nirgendwo sonst sterben so viele Frauen während Schwangerschaft und Geburt (rund dreihundert täglich). Nach einem Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) steht Indien, was die Gesundheit und Überlebenschancen seiner Frauen betrifft, an letzter Stelle von 134 Ländern.

Und dann herrschen vor allem in ländlichen Gebieten sogenannte Panchayati Raj. Diese entsprechen einer dezentralen Regierungsform der dörflichen Selbstverwaltung durch gewählte Rate. In dieser Versammlung sitzen vornehmlich von der Gemeinschaft geachtete Ältere, die von der Dorfbevölkerung gewählt werden.  Diese können autonom Gesetze beschließen. Manchmal, wie in Baghpat, offenbar auch gegen die geltende Verfassung.

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