Härte gegen Putins Gegner

Härte gegen Putins Gegner
Zehntausende gingen nach der Wahl auf die Straßen. Die Polizei griff durch, ließ später aber prominente Oppositionelle wieder frei.

Am Montagabend traf in Russland das ein, was Beobachter und Oppositionelle befürchtet hatten: An die 550 Demonstranten wurden in St. Petersburg und Moskau verhaftet, darunter auch einige prominente Gegner des neugewählten Präsidenten Wladimir Putin.

In St. Petersburg wurden bei einer nicht erlaubten Kundgebung etwa 300 Demonstranten abgeführt. Bei der Versammlung mit insgesamt 800 Menschen in der zweitgrößten Stadt Russlands seien auch Molotowcocktails auf Polizeiwagen geworfen worden, hieß es. In der Hauptstadt wollten Dutzende Demonstranten nach einer genehmigten Kundgebung mit bis zu 20.000 Teilnehmern nicht nach Hause gehen - bis die Polizei zugriff. Auch die Oppositionellen Jewgenija Tschirikowa und Ilja Jaschin wurden abgeführt. Die beiden waren in den vergangenen Monaten zu Führungsfiguren der Anti-Putin-Bewegung geworden.  Jaschin beklagte am Abend, er werde seit mehreren Stunden mit 19 anderen Festgenommenen in einem Polizeibus festgehalten.

Wieder frei

Härte gegen Putins Gegner

Viele Oppositionelle formieren sich über das Netz. Bei den Protesten wurde auch der populäre Blogger Alexej Nawalny, verhaftet. Er wird in Oppositionskreisen als möglicher künftiger Präsidentschaftskandidat gehandelt. Nawalny wurde später gegen eine Geldstrafe freigelassen. Auch Linkspolitiker Sergej Udalzow und Jaschin kamen wieder frei, sowie etwa 250 andere, wie die Polizei am Dienstagmorgen mitteilte. Gegen die Teilnehmer der Kundgebung sei ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht eingeleitet worden, hieß es.

Der Multimilliardär Michail Prochorow, der bei der Wahl den dritten Platz belegt hatte, verurteilte die Festnahmen. "Es war eine friedliche Kundgebung. Ich bin empört über die Gewalt."

KURIER berichtet aus Moskau

Zu jenen, die sich am Montag im Moskauer Zentrum versammelten, gehört auch KURIER-Redakteurin Lisa Stadler. Sie traf auf junge Menschen, die das Wahlergebnis empört: "Früher interessierte ich mich überhaupt nicht für Politik, auch meine Freunde nicht. Jetzt reden wir über nichts anderes mehr“, erzählt der 26-Jährige Moskauer Oleg. Auch er ging wählen und stimmte für Prochorow. 20% der Moskauer Wähler taten es ihm gleich, in der Hauptstadt und in St. Petersburg formiert sich die Opposition wesentlich stärker als im Rest Russlands.

"Demonstrieren gehe ich aber nicht, das ist mir zu riskant", meint Ildar, ebenfalls ein junger Moskauer der neuen Mittelschicht. Das ist nachvollziehbar - das Polizeiaufgebot ist enorm, die Milizionäre mit Schlagstöcken, Helmen und schusssicheren Westen sehen nicht gerade zimperlich aus. Im schlimmsten Fall drohen Festnahme, Strafzahlungen, körperliche Gewalt und auch gesellschaftliche Konsequenzen. "Ich will in der Arbeit ja nicht als Extremist gelten", sagt Ildar. Trotzdem versammeln sich am Montagabend wieder Abertausende, die ihre Empörung über die Wahlfälschungen und den erneuten Sieg Putins zeigen wollen. "Das ist ja eine Farce. Die Fälschungen konnte jetzt jeder live im Internet anschauen, und was passiert? Gar nichts! Mir kann niemand erzählen, dass das faire Wahlen sind." sagt Angelika, eine Österreicherin, die seit Jahren in Moskau lebt. Dennoch: angeblich waren am Sonntag 100.000 bei der Putin-Feier im Zentrum. Ob sich durch die lauter werdende Opposition de facto etwas ändern wird an der rigorosen Politik Putins bleibt fraglich. Der alte neue Präsident hat aber immer mehr Kritiker.

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