Guatemala: Mehr Morde als im Bürgerkrieg

Die Aufklärungsrate bei Gewaltverbrechen beträgt zwei Prozent, Selbstjustiz steht an der Tagesordnung.

Bus-Chauffeure in Guatemala leben gefährlich. Bewaffnete Banden halten Busse an und verlangen Weggeld. Wer nicht zahlen will oder kann, wird kaltblütig erschossen, sogar in der Hauptstadt Guatemala City. Im Vorjahr waren es 165 Busfahrer, die ermordet wurden. Die Bevölkerung lebt in Angst und Schrecken, insgesamt wurden 2008 über 6.000 Morde verübt, was sogar die Todesrate vom Bürgerkrieg übersteigt (1982/83 ausgenommen). Die Aufklärungsrate beträgt jämmerliche zwei Prozent.

Die Bürgerkriegsgräuel wurden noch kaum aufgearbeitet, verantwortliche Politiker und Militärs sind noch immer im Amt. Zeugen von Kriegsverbrechen werden massiv eingeschüchtert, aber internationale Beobachter begleiten diese, um durch ihre bloße Präsenz zu zeigen, dass die Weltöffentlichkeit nicht wegsieht. Übergriffe sollen so verhindert werden, etwaige Vorfälle werden dokumentiert und medial verbreitet. Ein österreichischer Zeugenbegleiter berichtet KURIER.at von seiner Aufgabe in Guatemala.

Selbstjustiz ist an der Tagesordnung

Der Wiener Menschenrechtsaktivist Markus Degen erzählt, dass das Vertrauen in die Behörden so gering ist, dass nur selten Anzeige erstattet wird. Teile von Polizei und Justiz seien korrupt und selbst in kriminelle Machenschaften verwickelt. Wegen der jämmerlichen Aufklärungsrate bei Gewaltverbrechen, stehe Selbstjustiz an der Tagesordnung.

200.000 Bürgerkriegsopfer

Die jüngste Geschichte Guatemalas ist vom 36-jährigen Buergerkrieg (1960-1996) geprägt, dessen Auswirkungen auch heute noch zu spüren sind. Die Indígenas, die auch heute noch neben den Ladinos, Weißen und Schwarzen, die stärkste Bevölkerungsgruppe stellen, kamen zwischen den Fronten des Militärs und der Guerilla. Tatsächliche oder vermeintliche Unterstützung der Widerstandskämpfer diente dem Militär als Vorwand, um Dörfer dem Erdboden gleichzumachen und dessen Einwohner zu massakrieren. Am Ende des Bürgerkriegs waren geschätzte 200.000 Opfer zu beklagen, der überwiegende Teil davon Zivilisten.

Genozid an indigener Bevölkerung

Österreichische Beteiligung gibt es beispielsweise bei der Zeugenbegleitung im Bezirk Rabinal in der Provinz Baja Verapaz. In den frühen 80er Jahren wurden dort bis zu 5.000 Indígenas ermordet. Das entspricht einem Fünftel der Bevölkerung der Maya-Achí. Das Militär gab vor, Aufständische zu bekämpfen. Es gab auch tatsächlich eine Guerillagruppe, die allerdings nur aus 40 Personen bestand und nur ein Drittel davon über Waffen verfügte. Tatsächlich handelte es sich um kalkulierten Massenmord an der indigenen Bevölkerung. Grausame Beweise dafür sind Morde an Kindern, Frauen und Schwangeren.

Warten auf Gerechtigkeit

Mittlerweile gibt es für Opfer und Hinterbliebene zwar manchmal geringfügige materielle Entschädigung, aber der viel wichtigeren Forderung nach Gerechtigkeit wurde nicht Genüge getan. Die Hauptverantwortlichen für die Verbrechen sind immer noch nicht vor Gericht gebracht und verurteilt worden. Militärs und die damalige Staatsspitze gehen zum Teil weiterhin unbehelligt ihrer Tätigkeit nach.

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