Grazer Grottenbahn schließt

Grazer Grottenbahn schließt
Die letzte Fahrt: Nach 30 Jahren muss die Betreiberfamilie Abschied von ihrer Märchenwelt nehmen. Sie tut es schweren Herzens.

Mutter, Vater, Kind stehen an der Kasse. „Zwei Mal, bitte“, sagt die Mama, ihre Kleine strahlt. Und der Papa? „Der traut sich nicht“, grinst sie. „Feigling!“, donnert Gerhard Kammerhofer aus seiner Kabine. „Aber das ist immer dasselbe. Wir Männer sind die Feigen.“

Lokfahren und Schmähführen, das ist seit 30 Jahren Kammerhofers Beruf. Seit 1981 betreibt seine Familie die Grottenbahn im Grazer Schlossberg, in Stollen, die im Zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker dienten. „Wir haben alles selbst gemacht“, erinnert sich Kammerhofer. „Die Tunnel ausgespritzt, die Schienen verlegt, die Lokomotiven selbst gebaut oder umgebaut, die Figuren gemacht.“

Kündigung

Grazer Grottenbahn schließt

Aber heute fährt der kleine Zug zum letzten Mal ab. Die Stadt Graz hat ihren Pächtern im November gekündigt: Nicht mehr zeitgemäß sei die Fahrerei vorbei an 34 Gestalten aus Märchen und Sagen. Das ärgert Kammerhofer am meisten. „Die Anlage gehört seit zehn Jahren der Stadt. Die hätten was machen können. Wir hätten es gern mitgetragen.“

Nach der Brandkatastrophe von Kaprun wurden die Sicherheitsvorschriften für die Bahn derart erhöht, dass sich der Familienbetrieb den Umbau nicht leisten konnte. Die Stadt kaufte den Kammerhofers ihre Bahn ab und gab sie ihnen als Pächter zurück, zuletzt nur noch mit einem jeweils auf ein Jahr befristeten Vertrag.

 

Pension

Grazer Grottenbahn schließt

Gerhard Kammerhofer wird bald 70, sein Schwager Heinz, der Techniker, Bastler und Tüftler der Bahn, ist 64. „Jetzt gehen wir halt alle in Pension. Aber nicht gerne“, seufzt Heinz. Gerhard hätte ewig weitergemacht. „Ich mach’ das, weil’s mir gefällt. Der Kontakt mit den Leuten, mit den Kindern, ist so wunderbar.“

Die Märchengrottenbahn ist nicht nur Touristenattraktion, sondern ein Stück Geschichte vieler Grazer. „Fast jeden Tag kommt jemand und sagt, ich war als Kind hier. Jetzt bin ich mit meinen Kindern da. Manchmal stehen dann drei Generationen vor mir“, schildert Gerhard Kammerhofer.

So geht es auch Herrn Markus. Der Besucher ist mit Marie-Sophie und dem kleinen Julian da. „Die Große kennt jede Figur. Sie freut sich, wenn wir Grottenbahn fahren. Da braucht sie nichts anderes mehr.“ Mit dem 18 Monate alten Julian wollte er noch unbedingt fahren, bevor Schluss ist. „Damit er es wenigstens gesehen hat.“ Gerhard war einst Buchhändler, Heinz Bäcker und Schweißer, ehe die Grottenbahn ihre Heimat wurde. Gestartet von Gerhards Vater übrigens. „Der Boss war da auch schon 66.“ Bevor er sich auf die Lok setzt, kontrolliert Gerhard Kammerhofer die kleinen Waggons. „Nicht rauchen, nicht aufstehen, nicht hinausgreifen.“ Mit vier km/h fährt der Zug die zwei Kilometer lange Strecke. Bei jedem Anfahren ruckt die Bahn, die mal bei Aschenputtel, mal bei der Drachenhöhle anhält, begleitet von Gerhards G’schichterln. Mikrofon braucht er keines, Tonband auch nicht. „Brave Mädchen gibt es nur im Märchen. Brave Buben gibt es nicht einmal dort“, sagt Gerhard mit ernster Stimme. Die Kinder kichern.

Faszination

Kammerhofer hat sich nie ausgerechnet, wie oft er dieselben zwei Kilometer in seinem Leben schon zurückgelegt hat. „Nein. Man macht’s einfach.“ Aber er weiß: „Die Kinder sind heute viel braver als vor 30 Jahren.“ Das fasziniert ihn: „Die haben die fantastischsten Sachen zu Hause, Handys, Computer, Spiele und trotzdem sind s’ von der Bahn begeistert.“

Noch vor dem Sommer will die Stadt Graz mit einem anderen Betreiber die Bahn neu eröffnen. „Die schau ich mir sicher an“, kündigt Kammerhofer an. „Ich bin überzeugt, dass man da etwas Modernes hineinbauen kann. Aber ich weiß nicht, ob das das Flair erreichen wird, das wir hatten.“

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