Gerichtliche Exekutionen steigen an

Gerichtliche Exekutionen steigen an
Zum "Kuckuck" mit dem Preisverfall: Gerichtsvollzieher leben gefährlich, weil die Gewaltbereitschaft steigt.

Wenn es zwei Mal an der Tür klingelt, muss das nicht unbedingt der Postmann sein. "Aufmachen, Gerichtsvollzieher", sagt der Beamte in forschem Ton. Nur zaghaft geht die Tür auf, und das liegt wohl nicht nur an der nachtschlafenden Stunde. Eher am Verdrängungsmechanismus der Schuldnerin. Es ist gerade mal 6 Uhr in der Früh. "Da sind die Leute wenigstens zu Hause", sagt Martin Winkler, Gruppenleiter der beim Oberlandesgericht Wien angesiedelten Exekutionsabteilung. "Können Sie diese Verbindlichkeit zahlen?", fragt der Beamte und nennt den Betrag. Nach einem leisen "Nein" beginnt die Suche nach verwertbaren Gegenständen. . .

Die Anzahl der Exekutionen ist in den vergangenen Jahren massiv angestiegen. Das hat viele Gründe. Etwa die schnelllebige Wirtschaft samt Konsumzwang, den Verlust des Arbeitsplatzes oder den Wegfall von Sozialleistungen und Arbeitslosengeld. Auf der anderen Seite gibt es viele Selbstständige, die manchmal "flüssig" sind und manchmal auch nicht.

Gerichtliche Exekutionen steigen an

"Die Gesellschaft wird nicht unbedingt menschlicher", sagt Gerichtsvollzieher Harald Ropez. Irgendwann will ein Gläubiger nicht mehr länger zusehen und lässt das Geld gerichtlich eintreiben. Ropez: "Bevor wir zum Verpflichteten gehen, hat ein Gericht festgestellt, dass der Anspruch besteht." Doch die Tücken liegen im Detail. Denn früher war bei den Schuldnern noch etwas zu holen. Selbst wenn die Münzsammlung schon verscherbelt war, lag da noch irgendwo Omas Gebiss mit den vielen Goldzähnen herum. Das ist heute nicht mehr so.

"Es gibt einen massiven Preisverfall. Vor allem bei Elektronik-Geräten. Damit leidet auch die Verwertbarkeit der Dinge", sagt Winkler. Die Beamten brauchen einen geschulten Blick, wo sie den berühmten "Kuckuck" draufkleben. "Die Leute besitzen in Summe mehr, aber im Erlösbereich kommt weniger heraus", sagt Winkler. Trotz allem ist man dem Gläubiger verpflichtet. Ropez: "Es soll möglichst viel am Ende herauskommen."

Fingerspitzengefühl

Gerichtliche Exekutionen steigen an

Aber auch eine Menge Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Verpflichteten ist nötig. Es sind viele Emotionen im Spiel, die Gewaltbereitschaft ist gestiegen. Beschimpfungen und verbale Attacken sind noch das kleinste Übel. Bei amtsbekannten Schuldnern rücken die Beamten nur noch zu zweit oder mit der Polizei an. Freitagfrüh musste ein Gerichtsvollzieher in Wien-Landstraße sogar die WEGA-Spezialeinheit der Polizei rufen. "Es wird immer sensibler. Es sind schon Extremsituationen, wenn man in der Früh ins Schlafzimmer läuft, und da liegt die Frau noch im Bett", sagt Ropez.

Die verwertbaren Gegenstände werden mit dem "Kuckuck" bepickt und später abgeholt. Nach der Schätzung wird das Gut auf der Edikte-Homepage veröffentlicht und dann versteigert.

Gerichtliche Exekutionen steigen an

Etwa in der Auktionshalle des Bezirksgerichts Mödling. Eine Versteigerung Mitte August zog etliche Schnäppchenjäger an. Vor allem wegen der Schusswaffen, doch die wurden wegen eines Einspruchs zurückgezogen. Dutzende andere Gegenstände kamen binnen einer Viertelstunde unter den Hammer. Der TV-Flachbildschirm kletterte auf 100 Euro, die modrige Pendeluhr wechselte um den Ausrufungspreis von 25 Euro den Besitzer, das Klavier (Schätzwert 200 Euro) wollte niemand. "Das Interesse an den Auktionen ist mit der Veröffentlichung im Internet wieder mehr geworden", bestätigt Andreas Krottenthaler, Leiter der Auktionshalle. Derzeit ist der Beamte Herr über 1600 Musikinstrumente. Die Lager platzen aus allen Nähten. Wertvolle Klein-Instrumente sind in Käfigen gesichert. Am 5. September beginnt die Live-Versteigerung. Krottenthaler: "Wir haben sie auf drei Tage angesetzt."

Druckmittel: Viele Schuldner zahlen in letzter Minute

Exekutionstitel Wenn ein Gläubiger zu seinem Geld kommen will, kann er das bei Gericht geltend machen. Erwirkt er einen Exekutionstitel, rückt der Gerichtsvollzieher aus. Das Verfahren dauert etwa ein Jahr.

Gerichtsvollzieher
Rund 370 Beamte kümmern sich österreichweit um die Eintreibung von Geldforderungen. Gerichtsvollzieher sind aber auch für die Durchführung von Wegweisungen, Zwangsräumungen oder Kinder-Rückführungen zuständig.

Der Erlös Im Vorjahr wurden 1,091.205 Exekutionsverfahren eingeleitet und 526.000 Exekutionen vollzogen. Dabei kamen rund 89 Millionen Euro für die Gläubiger herein. Das meiste Geld stammt von Schuldnern, die in letzter Minute doch noch das geforderte Geld auftreiben konnten. Weit weniger, nämlich 1,2 Millionen Euro, wurden bei Exekutionen samt anschließender Versteigerung lukriert. Nicht pfändbar sind Gebrauchsgegenstände des täglichen Bedarfs wie Waschmaschine oder Kühlschrank.

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