Gemma Balkanstraße, Oida!
Ivana feiert ihren 18. Geburtstag lieber auf der Balkanstraße als in der Innenstadt. Eigentlich wohnt sie im 18. Bezirk, aber sie fühlt sich in den Lokalen auf der Ottakringer Straße wohl. "Die Leute sind super, die halten zu uns", sagt die Serbin, "außerdem wollen sie uns in den Schwabo-Lokalen eh nicht. Die Kellner sind unfreundlich und oft bekommen wir keinen Tisch." Das Wort "Schwabo" ist Straßenslang und bezeichnet leicht abfällig Österreicher. "Ihr sagt ja auch Tschuschen zu uns", sagt eine lächelnde Ivana und geht wieder zurück ins Tanzcafé Laby. Hier sorgt Chef Dusan Stojanovic dafür, dass alle freundlich behandelt werden. Der kahlköpfige Bosnier begrüßt jeden neuen Gast mit einem Lächeln.
Das Laby ist nur eines von rund 20 Lokalen auf der Ottakringer Straße, in dem junge Leute – die meisten mit Migrationshintergrund – am Wochenende feiern. In den letzten Jahren ist die Balkanstraße, vom Gürtel bis zur Ottakringer Brauerei, zu einem Hotspot einer selbstbewussten jungen Generation geworden. Hier feiern die Dusans und die Ivanas dieser Stadt zu Balkanpop und Turbofolk. Eine Party zwischen alter und neuer Heimat.
Hohe Absätze, gezupfte Brauen
Es ist Samstagabend, 23.00 Uhr und die Lokale füllen sich. Vor den Clubs stehen mächtige Türsteher. Obwohl die Clique um Danijel, Elwin und Bosko mehr als eine Stunde brauchte, um sich zu stylen, dürfen sie nicht in den Club Chic. Die Türsteher schicken sie weg. "Dabei wollen wir nur Spaß, schöne Mädchen kennenlernen und abtanzen", sagt Danijel. Sein Freundeskreis besteht aus jungen Männern mit serbischen, bosnischen und kroatischen Wurzeln. Nun ziehen sie weiter, um endlich zu "Tschuschenmusik" zu tanzen. Nur eine Ecke weiter, im Café City, ist auch kein Platz mehr frei. "Hier verlieben sich die Mädels in uns", sagt ein Besucher lächelnd. Junge Frauen präsentieren hier ihre spitzen Absätze und Männer ihre gezupften Augenbrauen. Auch der junge Kroate Stipe ist top gestylt. " Im City sind wir Einheimische und man trifft Freunde, die man zuletzt in Serbien gesehen hat. Dazu die einheimische Musik. Man trinkt und hat Spaß.". Die Botschaft: Auf der Balkanstraße bleibt man gerne unter sich. "Schwabos" sind selten.
Parallelgesellschaft?
Kritiker wettern deshalb über Parallelgesellschaften, wenn sie von Szenetreffs wie der Balkanstraße sprechen. Integrationsexperte Kenan Güngör hält davon nichts. "Wir leben in einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Milieus. Das ist Zeichen von Freiheit", sagt er. "Die Jugendlichen hören hier die Musik, die sie mögen, und unterhalten sich mit Menschen mit der gleichen Lebensrealität. Die Balkanstraße ist nur eine von vielen Parallelwelten in Wien."
Ähnlich sieht es ein Nachtschwärmer, der an diesem Samstag durch die Lokale zieht: "Früher hat es mehr Schlägereien gegeben. Die Leute waren vom Krieg verstört. Heute gibt es eine neue friedliche Generation." Auch im Laby geht es friedlich zu. Eine Band spielt Lieder von der Heimat. Der Chef Stojanovic sagt: "Wie viele andere fühle mich hier in Österreich mehr zu Hause als in Bosnien." Ivana nickt. Mittlerweile sind auch einige ihrer Schwabofreunde gekommen, um mit der Serbin gemeinsam Geburtstag zu feiern.
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