Fußamputation: Mann war in Betreuung

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Jener Steirer, der sich einen Fuß absägte, um die Berufsunfähigkeit zu erzwingen, war bereits psychosozial betreut worden.

Zwei Ansuchen um Berufsunfähigkeit hatte der 56-jährige Ost­steirer bereits bei der PVA (Pensionversicherungsanstal) gestellt, ehe er sich am Montag den linken Fuß mit einer Kappsäge abtrennte, um einen Invaliditätsstatus zu erzwingen. Denn er war beide Male mit seinem Ansuchen abgeblitzt.
Ein trauriges Schicksal verbirgt sich hinter dieser Selbstverstümmelung. Hans U. lebte unauffällig und zurückgezogen, fühlte sich zunehmend krank. Von 25 Euro Taggeld lebte der Notstandshilfebezieher zuletzt. „Er hat sich nicht in der Lage gefühlt zu arbeiten. Seine AMS-Beraterin hat mit ihm kürzlich einen Untersuchungsantrag an die PVA verfasst", schildert der Mediensprecher des AMS, Hermann Gössinger. Körperliche und psychische Beschwerden des Klienten hätten auf der Gesundheitsstraße der PVA gecheckt werden sollen. Doch dazu kam es bekanntlich erst gar nicht.
Das AMS hat dem ehemaligen Lagerarbeiter viele Angebote gemacht: Hilfsjobs beendete er von sich aus. Qualifikationsmaßnahmen wurden gesetzt. Der Arbeitslose schloss sie nicht ab. Auch zum psychosozialen Dienst in Feldbach wurde er empfohlen, ließ sich dort unregelmäßig betreuen.


Hans U. ist außer Lebensgefahr. In wenigen Tagen kann er auf eine Normalstation im LKH Graz verlegt werden. Der Heilungsprozess am Bein sowie eine Reha werden noch viel Zeit beanspruchen. Aber dann geht es für den Steirer wieder von vorne los. Antrag beim AMS, Gesundheitsstraßentermin, Entscheidung von Fachärzten, was er noch arbeiten könnte. „Was es nicht alles gibt", sagt der steirische PVA-Direktor Josef Radl zu dem „Ausnahmefall".
Hans U. ist laut PVA einer von 66.934 Österreichern, die 2011 eine Berufsunfähigkeit beantragt haben. „Bewilligt wurden 23.611 Anträge", erklärt PVA-Mediensprecherin Beatrix Böhm. Bei „Selbstbeschädigung" falle ein Ver­sicherter aber um die Invaliditätspension um.

Hintergrund

Mit 56 Jahren keinen Job mehr zu finden, belastete einen Oststeirer offenbar dermaßen, dass er sich selbst verstümmelte und einen Fuß abschnitt. Hans U. hätte am 3. April auf der Gesundheitsstraße der PVA in Feldbach untersucht werden sollen, ob er arbeitsfähig ist. Er fühlte sich aber krank und wollte die Invalidität erwirken.

Der beschäftigungslose Familienvater trank sich mit reichlich Alkohol Mut an und streckte Montag frühmorgens im Heizraum seines Wohnhauses den linken Fuß in eine elektrische Kappsäge. Die Extremität wurde über dem Knöchel abgetrennt. Den amputierten Teil warf er in den Ofen. Keine Kurzschlussreaktion, sondern laut Polizei durchdacht: Damit habe der Mann eine mögliche Replantation vermeiden wollen. Der verkohlte Teil wurde später von der Polizei sichergestellt.

Der verzweifelte Mann hatte die starken Schmerzen und den hohen Blutverlust offenbar unterschätzt. Jedenfalls setzte er um 5.15 Uhr einen Notruf an die Polizei ab, während seine Familie noch schlief. "Eine Sektorenstreife fand den Verletzten in der Garage. Dorthin hatte er sich noch geschleppt", berichtet ein Polizist.

Gesundheitsstraße

Wer sich zu krank zum Arbeiten fühle, werde auf die Gesundheitsstraße geschickt, schildert Marianne Suppan, die Chefin des Arbeitsmarktservice in Feldbach im Gespräch mit dem KURIER. "Wir sind keine Experten und können nicht feststellen, ob jemand noch fit genug für einen Job ist. Daher schicken wir unsere Klienten auf die Gesundheitsstraße. Dort wird von Medizinern beurteilt, ob jemand noch mit Einschränkung einer Arbeit nachgehen kann. Oder es wird eine befristete Invalidität ausgesprochen. Es gibt nicht mehr so viele Fälle, wo jemand gleich in die Pension geschickt wird", führt die AMS-Chefin das auch auf Reform- und Sparzwänge zurück.

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