Frankreich: Sarkozy kämpft gegen Niederlage

Frankreich: Sarkozy kämpft gegen Niederlage
Am Sonntag wählt Frankreich einen neuen Präsident - Sozialist Hollande geht als Favorit ins Rennen, Sarkozy kämpft gegen Amtsverlust.

"Ich kann die Versuchung verstehen, den Tisch umzuhauen. Aber man sollte den Tisch nicht auf sich selber zurückstürzen lassen", warnte Nicolas Sarkozy bei seinem letzten TV-Auftritt vor dem ersten Durchgang der französischen Präsidentenwahl am vergangenen Sonntag. Scheinbar unbeeindruckt von allen Umfragen, die ihn geschlagen sehen, entfaltete Sarkozy abermals ein Feuerwerk aus einprägsamen Formulierungen.

Mit dem Bildnis vom Tisch brachte der Präsident seine waghalsige Wahlkampfgleichung auf den Punkt: Trotz seiner fünfjährigen Amtszeit will sich Sarkozy als neuer Volkstribun positionieren, der "den Tisch umhaut" – sprich die "Pariser Eliten", "ausländische Profiteure des Wohlfahrtsstaates", Gewerkschaften und sonstige Körperschaften nötigenfalls per Volksabstimmung niederringt. Und gleichzeitig als Staatsmann verhindert, dass der umgeworfene Tisch auf die Franzosen "zurückfällt".

Referenden

Zwei Referenden hat Sarkozy angekündigt: Eines über den Entzug der Sozialhilfe für Arbeitslose, die nach einer Schulung ein Jobangebot ablehnen – wohl wissend, dass derzeit vier Millionen auf Jobsuche sind und den Wenigsten eine sinnvolle Schulung geboten wird. Und eine Abstimmung über schnellere Abschiebung von Ausländern.

Damit übernahm Sarkozy Topthemen der rechten Marine Le Pen. Er wilderte aber auch im Programm des Sozialisten Hollande: So plädiert Sarkozy für wirtschaftliche Ankurbelmaßnahmen seitens der Europäischen Zentralbank. Er befürwortet eine Begrenzung der Mietzinserhöhungen, nachdem er vorher diesen Vorschlag von Hollande als "Wahnsinn" bezeichnet hatte. Spitzenkonzerne und Steuerflüchtlinge will Sarkozy mit Pauschalsteuern zur Kasse bitten, nachdem er während seiner Amtszeit die allerreichsten Franzosen begünstigt hatte.

Gleichzeitig will sich Sarkozy aber auch auf seine Bilanz als Staatschef stützen, der Frankreich "besser als alle anderen EU-Staaten" durch die Krise geführt habe, wohingegen mit der Ausgabenpolitik von Francois Hollande dem Land "das Schicksal Griechenlands" bevorstünde.

Ein schwacher Redner als Favorit

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Er ist der Favorit, aber es fällt schwer, in Francois Hollande einen Sieger zu sehen. Sein eigener Sohn, der seine Web-Kampagne leitet, konstatiert einen Mangel an Begeisterung. Der 57-Jährige ist geschickt und witzig, für den Wahlkampf hungerte er sich sogar fünf Kilo ab, aber als Redner bleibt Hollande eine Niete. Will er eine kämpferische Pose einnehmen, geraten seine Auftritte zu einer lächerlichen Persiflage des verstorbenen SP-Präsidenten Francois Mitterrand. Seine Stimme lässt ihn oft im Stich, heraus kommt ein Krächzen.

Will er oder kann er nicht, fragt man sich. Denn Hollande, der schon früher als "Weichei" unterschätzt wurde, scheint ein allzu kantiges Image absichtlich zu vermeiden. Damit möchte er den Franzosen, die der polarisierende Hektiker und Selbstdarsteller Sarkozy nervt, eine "normale Staatsführung" verheißen.

Hollande muss aber auch die Balance halten zwischen Wut-Wählern, die zum Linkstribun Melenchon neigen, und dem linksliberalen Zentrum, das wie Hollande selber auf Realismus besteht: "Ich verstehe die Wut. Aber ich muss sie in Regierungspolitik umsetzen." Insofern stoßen seine radikalsten Ankündigungen, wie 75 Prozent Steuern auf Einkommensteile, die eine Million Euro pro Jahr übertreffen, auf Rahmenbedingungen, die diese Maßnahmen wieder entschärfen.

Vielleicht ist es ein Omen: Im Privaten ist Hollande erfolgreicher als Sarkozy. Der konnte trotz verzweifelter Bemühungen nach seinem Amtsantritt seine Gattin Cecilia nicht an der Scheidung hindern. Seine daraufhin schnell arrangierte Ehe mit Carla wirkte wie eine Trostlösung. Hingegen verliebte sich die von Spitzenpolitikern umgarnte Journalistin Valerie Trieweiler 2005 in Hollande, als dieser am Tiefpunkt seiner Karriere stand. Seine Ex-Gefährtin, Segolene Royal, die 2007 für die SP in die Präsidentenwahlen zog, war bereit, auf ihre Kandidatur zugunsten von Hollande zu verzichten, sollte er zurückkehren. Inzwischen ist Royal mit Hollande versöhnt, obwohl er Trieweiler als "Frau seines Lebens" an seiner Seite hat.

Rechte gibt sich zahm

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Zumindest einen Vorauserfolg konnte die Rechtspopulistin bereits verzeichnen: An Bistro-Theken wird sie nur mehr mit Vornamen erwähnt. Das signalisiert, dass ihre – halbherzige – Distanzierung von ihrem Vater Jean-Marie Le Pen, dem Gründer der rechtsrechten "Front National", Widerhall gefunden hat.

Es sind vor allem die Verharmlosungsversuche des Holocausts durch Le-Pen-Vater, die seine 43-jährige Tochter nicht goutiert. Marine Le Pen beansprucht auch die Verteidigung von Juden und Homosexuellen gegen Übergriffe in Vorstädten durch muslimische Jugendliche. Dabei übertreibt sie freilich maßlos den Einfluss radikaler Elemente auf Frankreichs Muslime. Als Rückfall in Rechtslastigkeit wurde ihr auch die Teilnahme am Wiener Burschenschafter-Ball angekreidet.

Vor allem aber dürfte sie ihren anfänglichen Schwung eingebüßt haben, als sie ihr "Wirtschaftsprogramm" enthüllte, das den Austritt aus dem Euro vorsieht. Die meisten Experten warnen für diesen Fall vor einem rasenden Wertverfall für das Volksvermögen.

So bleibt sie in der Rolle der rabiaten "System"-Gegnerin. Wobei sie vor allem Sarkozy ("Schwindler") attackiert und ihn bereits als Wahlverlierer sieht, weshalb eine Stimmabgabe für ihn "sinnlos" sei. Das ist auch strategische Hoffnung: Dass eine Niederlage Sarkozys zum Zerfall seiner Großpartei UMP führen und Marine Le Pen die Schlüsselrolle im bürgerlichen Lager übernehmen könnte.

Der Linkstribun mit der roten Krawatte

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Auch Sarkozy befand: "Melenchon hat Talent." Das Kompliment entsprach taktischem Kalkül: Würde der linke Tribun Jean Luc Melenchon im ersten Wahlgang sehr gut abschneiden, ginge das auf Kosten des SP-Kandidaten Hollande. Dieser würde dann in der Stichwahl als "Geisel" (so Sarkozy) des linken Fundi Melenchon erscheinen, was Zentrumswähler abschrecken könnte.

Mit einem flotten Anstieg in den Umfragen von fünf auf annähernd 15 Prozent sorgte Melenchon für die Überraschung der vergangenen Wochen. Der ebenso brillante wie aggressive Redner, der stets eine rote Krawatte trägt, orchestrierte die größten Wahlkundgebungen. Der rechten Marine Le Pen stahl er nicht nur die Show, sondern attackierte sie auch wie kein anderer frontal: Sie leide an einer "Ausländer-Paranoia", höhnte Melenchon und erklärte: "Araber und Berber sind Frankreichs Zukunft. Wir sind stolz darauf, das EU-Land mit den meisten Mischehen zu sein."

Sein radikales Sozialprogramm ist auch mit dem moderaten Sparkurs eines Hollande unvereinbar. Aber der 60-jährige Ex-Sozialist Melenchon, der die KP, Linksalternative und Gewerkschafter in einer "Linksfront" vereinigt hat, glaubt sowieso an den "Zerfall der alten Welt".

Nach einer Niederlage von Sarkozy prognostiziert er einerseits eine "Volkserhebung gegen die kapitalistische Aristokratie" und andererseits einen "Angriff der Spekulanten auf Frankreich" – eine Zangenbewegung, der Hollande nicht gewachsen wäre, und in der die Stunde der "Linksfront" schlagen würde

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