Fall Wulff: Österreichs Gesetze zu lasch

Fall Wulff: Österreichs Gesetze zu lasch
Deutschlands Bundespräsident könnte eine Gefälligkeit das Amt kosten. In Österreich ist die Geschenkannahme laxer geregelt Teure Freundschaften.

Es war möglicherweise nur ein Gefallen, nicht mehr – und doch bringt er den höchsten Mann im Staate schwer in die Bredouille. Nachdem die BILD-Zeitung vergangene Woche über einen 500.000-Euro-Privatkredit berichtete, den Deutschlands Bundespräsident Christian Wulff 2008 als Ministerpräsident von der Frau eines befreundeten Unternehmers bekommen hat, steht Wulff vor dem Abgang. Als „falschen Präsidenten“ nimmt ihn Der Spiegel aufs Cover, im Kanzleramt heißt es, der Mann sei „politisch de facto tot“.

Während Wulff in Berlin um Ruf und Amt kämpft, stellt sich weiter südlich die Frage: Wie halten’s eigentlich die heimischen Berufspolitiker mit Einladungen und Gefallen? Wäre ein Fall Wulff hierzulande denkbar?

In der Vergangenheit war er nicht nur denkbar, er ist passiert – dafür gibt es Beispiele zuhauf: Parade-Fall war Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der nicht nur einmal die Grenze zwischen Privat und Politik munter überschritt: Als Regierungsmitglied mit Berufsverbot belegt, ließ er sich von einer Interessenvertretung eine Homepage um mehrere hunderttausend Euro einrichten; zudem pflegte er beste Beziehungen zu Duz-Freund Julius Meinl. Grasser lustwandelte auf der Meinl-Yacht und heuerte später bei einem Meinl-Fonds bzw. dessen Gesellschaft als Manager an. Hat Grasser als Finanzminister die Wünsche und Befindlichkeiten von Julius Meinl V. über Gebühr berücksichtigt? Das blieb bislang im Dunkeln.

Für die Justiz ist es ohnehin irrelevant, denn hierzulande ist es nicht strafbar, Gefallen anzunehmen – sofern sie nicht Gegenzug für ein konkretes Amtsgeschäft erfolgen.

Urlaub auf Marbella

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So ist auch erklärbar, warum Alfred Gusenbauer 2004 mit Frau und Tochter auf Einladung von Hotel-Erbin Bettina Steigenberger in Marbella urlaubte; oder wie es sein kann, dass der für die Liftgesellschaften zuständige Tiroler Landesrat Christian Switak erst im November dabei ertappt wurde, in einer feinen, preislich aber ausnehmend günstigen Mietwohnung zu residieren, die einem Tiroler Lift-Tycoon gehört. Auf Nachfrage beteuern Österreichs Spitzenpolitiker, sie würden mittlerweile alle Geschenke und Reisen ausschlagen.

Offizielle Präsente, die etwa Bundespräsident und -kanzler bei offiziellen Staatsbesuchen erhalten, werden in der Sekunde dem Protokoll übergeben. „Teure Aufmerksamkeiten, die Privat-Personen im Kanzleramt deponieren, schickt das Kanzleramt sofort zurück“, sagt Faymanns Sprecher.

Ähnlich halten es Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Gesundheitsminister Alois Stöger oder Vizekanzler Michael Spindelegger: Aufmerksamkeiten, die bei Staatsbesuchen überreicht werden, bekommen eine Nummer und wandern ins Ministerium. Bloß bei den kleinen Gaben machen die Ressortchefs Unterschiede: Während etwa Reinhold Mitterlehner das obligate Flascherl Kernöl (Steiermark) oder eine Bouteille Rotwein (Burgenland) bei Stipp-Visiten aus Höflichkeit nicht grundsätzlich ausschlagen will, sehen Gesundheitsminister Stöger und Justiz-Ressortchefin Beatrix Karl die Sache besonders eng: Letztere besteht darauf, Opern- und sonstige Tickets selbst zu bezahlen; der Oberösterreicher Stöger will selbst kleine Mitbringsel wie Weinflaschen lieber erst gar nicht annehmen.

100 Euro-Grenze

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Eine konkrete pekuniäre Vorgabe gilt für Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek: Für sie sind alle Einladungen und Geschenke Tabu, die 100 Euro übersteigen. Also alles paletti? Mitnichten. Denn Experten orten in Sachen Korruptionsprävention nach wie vor eine große gesetzliche Lücke, nämlich: das viel zitierte „Anfüttern“.

Denn im Unterschied zu Deutschland, ist es hierzulande nicht strafbar, sich Amtsträger mit kleinen oder größeren Gefälligkeiten gütlich zu stimmen. „In Österreich reicht es nicht, sich jemanden einfach warm zu halten“, erklärt Franz Fiedler.

Gemeinsam mit Korruptionsexperten wie Hubert Sickinger plädiert der Ex-Präsident des Rechnungshofes für eine – reformierte – Wieder-Einführung des mittlerweile abgeschafften Anfütterungsparagrafen. „Der Vorteil war, dass Amtsträger öfter überlegt haben: Mache ich mich strafbar, wenn ich mich von der Firma X am Wochenende nach Tirol einladen lasse? – Es kam zum Nachdenkprozess.“

Für Sickinger ist der Fall Switak Beleg, dass es den Betroffenen bisweilen an Unrechtsbewusstsein fehlt. „Letztendlich gibt es jenseits der strafrechtlich relevanten Grenzen immer Spielraum“, sagt Fiedler. „Aber den muss man möglichst klein halten.“

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