EU-Kampftag im Nationalrat

EU-Kampftag im Nationalrat
Premiere im Parlament: Zum ersten Mal lädt der Kanzler zu einer Sondersitzung über einen EU-Gipfel. Werner Faymann nahm sich Deutschlands Merkel zum Vorbild.

Der Bundeskanzler ist überpünktlich. Noch sind es mehr als fünf Minuten, bis die Sitzung des Nationalrats beginnt. Noch sind die meisten Ledersessel im Nationalrat verwaist. Und doch sitzt Werner Faymann längst auf der Regierungsbank und wartet im dunklen Anzug auf seinen Auftritt. Zumindest eines sollte man ihm diesmal nicht vorwerfen können: Dass er die Sache nicht ernst nimmt.

Zu wichtig war das, was der Regierungschef gestern vorhatte: Werner Faymann wollte zeigen, dass in ihm „ein glühender Europäer“ steckt, wie später Ex-Minister Martin Bartenstein aus dessen jüngsten KURIER-Interview zitierte. Und weil Faymann erst vergangene Woche zur Plenarsitzung zu spät aufgetaucht war und die Regierung gestern zum ersten Mal in der Geschichte nach einem EU-Gipfel zu einer Sondersitzung bat, war Pünktlichkeit das Mindeste, um dem eigenen Auftritt Gewicht zu geben.

Bildhafte Sprache

EU-Kampftag im Nationalrat

Werner Faymann war also pünktlich – und er gibt sich bei seiner Rede alle Mühe. Der SPÖ-Chef versucht in Bildern zu sprechen, er verwendet greifbare Wörter wie „Feuerwehr“ und „Fundament“, die Union ist für ihn „Schutz“ und Hilfe.

Immer dann, wenn ihm etwas besonders wichtig ist, rudert er mit den Händen. Dazu gehören Sätze wie „Die Finanzmärkte dürfen nicht Politik machen!“ Alter Ego Josef Ostermayer macht zu alldem ein ernstes Gesicht. Der Staatssekretär sitzt eine Armlänge vom Kanzler entfernt, daneben Ministerinnen und Minister, die Regierungsbank ist gut gefüllt – auch das ist kein Zufall, denn für den staatstragenden Auftritt von Kanzler und Vizekanzler gibt es gute Gründe: Die Regierung muss bei der Schuldenbremse die Schlagzahl erhöhen, will sie die Opposition noch gewinnen, um die Sparvorgabe in die Verfassung zu schreiben.

Für andere Staatschefs ist das längst Routine: Während Faymann im Wiener Parlament auftritt, macht die deutsche Regierungschefin Angela Merkel im Berliner Bundestag das gleiche: Sie verteidigt das Ergebnis des EU-Krisengipfels.

Zerstörung

Zurück nach Wien: Gerade eben versucht der Kanzler alle Register zu ziehen. Er warnt – vor einem Austritt aus der EU („Das bringt Massenarbeitslosigkeit“); er bittet – die Opposition um die Zustimmung zur Schuldenbremse; und er tadelt – vor allem die FPÖ und Parteichef Heinz-Christian Strache.

„Wir haben die Wahl: Zerstören wir die Euro-Zone? Oder versuchen wir, ein gemeinsames Europa zu retten?“, ruft der SPÖ-Chef den Blauen entgegen. Strache lächelt mild. Er arbeitet mit Kuli und Leuchtstift an seiner Rede und wird dem Kanzler später vorwerfen, sechs gesunde Volkswirtschaften in der EU könnten wohl schwerlich alle anderen „durchfüttern“.

Nach 20 Minuten ist Faymann am Ende. BZÖ-Chef Josef Bucher lobt den „Versuch einer Regierungserklärung“ , doch das war’s schon mit der Zustimmung: Die Grünen wollen neue Vermögensabgaben, das BZÖ eine Steuer-Obergrenze in der Verfassung, kurzum: Es bleibt alles beim alten. Aber zumindest war Werner Faymann diesmal pünktlich.

Versöhnlicher Ausklang

Nach der kontroversiellen Schuldenbremsen-Debatte konnte doch noch ein Thema gefunden, mit dem sie friedlich in die Weihnachtspause gehen konnten. Einhellig wurde ein Antrag unterstützt, der die Regierung auffordert, sich gegenüber der Ukraine gegen Quälerei und Massentötungen von Hunden auszusprechen.

Mit dieser Debatte hat der Nationalrat sein Arbeitsjahr 2011 nun tatsächlich abgeschlossen. Die nächsten ordentlichen Plenarsitzungen des Nationalrats finden am 18. und 19. Jänner statt. Vor Weihnachten noch einmal einrücken müssen die Bundesräte, die am morgigen Donnerstag ihre letzte Sitzung im Jahr 2011 abhalten.

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