Erste Demo gegen Wulff

Erste Demo gegen Wulff
Medien-Kritik, erste Demos, Nachfolge-Spekulationen – das deutsche Staatsoberhaupt bleibt unter Dauerbeschuss.

Verschnaufpausen wie die von Kanzlerin Angela Merkel am Vortag öffentlich ausgerichtete „große Wertschätzung“ halten nur mehr stundenweise. Diese Erfahrung macht Bundespräsident Christian Wulff nun täglich. Wie viele Politiker vor ihm, die sich von Boulevardmedien willig zur Spitze schreiben ließen, geht es nach nicht gebeichteten Fehlern schneller bergab als einst bergauf.

Wulffs neueste Tiefschläge: Am Samstag verlangten erstmals Hunderte Demonstranten vor dem Amtssitz seinen Rücktritt. Sie hatten sich im Internet organisiert, was in Berlins linkem Spektrum bei bürgerlichen Zielen besonders leicht geht.

Eine seriöse Zeitung, die Rheinische Post, berichtete, dass sich die Koalitionsspitzen schon auf den Rücktritt Wulffs vorbereiteten: Sollte noch die kleinste Unwahrheit ans Licht kommen, hätten sich „die drei Parteichefs auf einen Kandidaten geeinigt, den die Opposition nicht ablehnen könne“.

Trotz müder Dementis aus der Regierungskoalition („Spekulation“) gilt in Berlin der parteilose DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck als Favorit: Er war Gegenkandidat von SPD und Grünen bei Wulffs Wahl. Chancen hat auch der alte CDU-Umweltpolitiker Klaus Töpfer.

Unwürdig

Erste Demo gegen Wulff

Dass die täglich wachsen, vermittelt auch ein Interview von SPD-Chef Sigmar Gabriel: Er will zwar nicht Wulffs Rücktritt fordern, legt ihn aber nahe, um die „unwürdige und abstoßende“ Debatte um Wulffs Glaubwürdigkeit zu beenden.

Nach dem TV-Interview am Mittwoch ist die zentrale Frage mehr denn je, wieso Wulff schon als niedersächsischer Ministerpräsident die Herkunft seines 500.000-Euro-Kredits von der Familie eines befreundeten Geschäftsmannes bewusst verschleierte. Und das versuchte er, wie Bild nun anhand seiner Recherchen dokumentiert, auch als Staatsoberhaupt.

Damit zeigt sich auch beim Fall Wulff: Nicht eine grenzwertige Sünde bedroht die Karriere, sondern der falsche mediale und politische Umgang damit. Spiegel, Stern und Bild hatten lange den dubiosen Kredit recherchiert, das Verhängnis dokumentierte als erste am 13. Dezember das Massenblatt aus dem konservativen Springer -Verlag.

Naivität

Zuvor hatte es jahrelang Wulff als einen seiner politischen Lieblinge verwöhnt: Der Schwiegersohn-Typ wurde mit sogenannten Home-Storys, zuletzt über das Familienglück mit der zweiten, jungen Frau, beglückt und kooperierte begeistert – Bezüge darauf dürften auch ein Grund sein, warum Wulff nun die Veröffentlichung seines Wutausbruchs auf der Mailbox des Chefredakteurs abblockt.

Es war wie mit der Bunten beim Aufstieg des einstigen SPD-Chefs Rudolf Scharping und wie beim jüngsten Kometen deutscher Politik, dem CSU-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg: Glamour, Selbstverliebtheit und -überschätzung paarten sich mit naiver Unterschätzung der Macht und Hartnäckigkeit der Medien. „Weil es deren Geschäftsmodell ist, am Hoch- und Niederschreiben von Leuten zu verdienen“ ( FAZ ), wurden sie von den Boulevardmedien nicht nur fallen gelassen, sondern danach bekämpft wie von der linken Presse zuletzt nur die FDP.

„Wer mit Bild im Lift nach oben fährt, fährt auch mit Bild im Lift nach unten“: Das Wort von Springer -Chef Mathias Döpfner war selten so wahr wie heute – und das Image seines Hauses als Demokratie-Wachhund so wahrhaft blendend.

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