Ein Postler, der die Skier anschnallt

Ein Postler, der die Skier anschnallt
Schwerarbeit – Matthias Perktold stapft bei jedem Wetter mit seinem Rucksack durchs Dorf.

„Kannst du Skifahren? Dann kommst nach Oberlech.“ Mit einem zufriedenen Lächeln erinnert sich Briefträger Matthias Perktold an das entscheidende Kriterium, das ihn vor 19 Jahren ins Vorarlberger Oberlech führte. Der 47-Jährige zupft seine Gamaschen zurecht, schultert den 20 Kilogramm schweren – mit Katalogen und Briefen vollgepackten – Rucksack, klemmt sich ein unförmiges Paket unter den Arm und tritt in die eisige Morgenkälte.

Es ist sechs Uhr Früh und die Temperaturen liegen weit unter dem Gefrierpunkt. Langsam beginnt sich die Dunkelheit über dem Skiort zu lichten. Während die Bewohner allmählich in den Tag starten, ist Perktold schon seit Stunden auf den Beinen. „Ich stehe um Viertel nach vier auf und fahre von Pians nach Bludenz, um die Post zu holen. Auf dem Weg nach Lech beliefere ich dann Stubenbach und Strass“, erzählt der Postler. Die schweren Pakete lädt er an der Talstation in die Gondel und schickt sie per Lift den Berg hinauf. Doch im tief verschneiten Ort bleibt ihm dann nur noch seine Muskelkraft.

250 Kilometer Fußmarsch und 15.000 Höhenmeter bewältigt der Tiroler jeden Winter, um den Oberlechern ihre Post zu bringen. Ab und zu muss er sich dafür sogar seine Skier anschnallen.

Schweiß

Im Dorf wird nicht geräumt. „Oft versinkst du bis über die Knie im Schnee, der Wind pfeift dir um die Ohren und das Gewicht auf deinen Schultern bringt dich ganz schön zum Keuchen. Vielfach werde ich nicht vor drei Uhr am Nachmittag fertig“, schildert Perktold die harten Winter und nimmt die nächste Steigung in Angriff.

Die Schneewände türmen sich meterhoch, Eiszapfen verschiedener Längen zieren die Dächer und von Straßenlaternen und Schildern schauen nur noch die Spitzen aus dem Schnee hervor.

Immer wieder bleibt Perktold kurz stehen, um mit den Bewohnern zu plaudern, oder einem Bekannten zuzujodeln, der auf seinem Dach steht und Schnee schaufelt. „Ich bringe nicht nur die Sendungen, sondern sammle auch Rückpost und Rubbellose ein“, erklärt der zweifache Familienvater. „Ab und zu fragt mich auch wer, ob ich ihm nicht die Medikamente vom Doktor mitbringen könnte.“

Freundschaftlich

Ein Postler, der die Skier anschnallt

Zu den Bewohnern hat der Briefträger im Laufe der 19 Jahre ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. „Fleißige Leute gehören gut behandelt“, meint Hotelier Josef Eder und reicht dem 47-Jährigen eine kleine Jause durch das Küchenfenster – gewissermaßen im Austausch für die Post. „Bei jedem Wetter und der ärgsten Kälte schleppt er den schweren Rucksack durchs Dorf. Wir schätzen seine Arbeit sehr und wollen ihm das zeigen.“ Schwiegermutter Theresia Berger hat schon Perktolds Vorgänger mit einer Stärkung verwöhnt. „Wenn ich am Morgen die Wurstplatte wegräume, sagt sie immer: ,Vergisst du mir eh den Briefträger nicht!‘“, berichtet Eder.

Jeden Tag öffnet Perktold den gelben Briefkasten an der Liftstation. „Eine heimliche Verehrerin hinterlässt mir hier immer Nachrichten“, feixt er und fischt zig Ansichtskarten heraus. Doch am Ende seiner Runde – im Hotel Mohnenfluh, auf über 1700 Metern bei seiner täglichen Tasse Kaffee – wird er noch einmal ernst.

Sorgen

„Ich bin ein Naturmensch. Und auch wenn es anstrengend ist, Oberlech ist für mich das Paradies“, sagt der begeisterte Skifahrer und Tourengeher. „Doch die ständigen Postämterschließungen und Veränderungen bereiten mir schon Sorgen. Mich wollten sie letzten Herbst ja auch loswerden“, meint er traurig und nippt nachdenklich an seinem Kaffee. „Ich hoff’, dass man mir noch ein paar Jahre gönnt.“

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