Die Sprache verrät beinahe alles

Die Sprache verrät beinahe alles
Der Sprachprofiler Raimund Drommel über die Blamage beim Tierschützerprozess, Mobbing und Strauss-Kahn.

Der renommierte deutsche Sprachprofiler Raimund Drommel hat den vermeintlichen Selbstmord des CDU-Politikers Uwe Barschel als Mord entlarvt. Er hat den RAF-Code dechiffriert. Und er hat den Tierschützerprozess lange vor den Freisprüchen als Justizblamage aufgedeckt. Nachzulesen in seinem Buch "Der Code des Bösen".

Darin zerpflückt Drommel das Gutachten des pensionierten AHS-Lehrers Wolfgang Schweiger, der anonyme Bekennerbriefe zu Anschlägen von Tierrechtsaktivisten dem Hauptangeklagten Martin Balluch zuschrieb. Für Drommel stellen sich Schweigers Untersuchungsmethoden so dar, "wie wenn ein Blinder über Farbenlehre referiert."

KURIER: Sie haben im Tierschützerprozess die Verteidigung beraten. Haben Sie mit Freisprüchen gerechnet?
Raimund Drommel: Mit Freisprüchen hatte ich bereits nach Prüfung der Unterlagen Anfang 2010 fest gerechnet. Staatsanwalt und Richterin hätten damals schon die Reißleine ziehen müssen. Hätte mich der Staatsanwalt mit dem Abgleich der "Bekennerschreiben" beauftragt, wäre den Angeklagten, dem Staat und dem österreichischen Steuerzahler einiges erspart geblieben, Imageschaden inklusive.

Wäre die Arbeit der Justiz effizienter, würde man vermehrt Experten wie Sie beziehen?
Ich denke, ja. Experten, die täglich professionell und intensiv auf ihren gerichtsrelevanten Spezialgebieten arbeiten, können der Justiz effizient helfen. Die Justizapparate in unseren Ländern sind konservativ und schwerfällig. Ich denke aber, es geschieht zunehmend häufiger, dass Experten hinzugezogen werden. In Österreich ist diesbezüglich auch ein Bewusstseinsprozess in Gang gesetzt worden. Alle intelligenten Beobachter, ganz gleich, wo sie politisch stehen, konnten sich ein Bild machen. Auch die Richterin (im Tierschützerprozess, Anm.), Frau Arleth, ist nachdenklich geworden.

Sie haben sich zu den Zeugenaussagen des mutmaßlichen Opfers im Vergewaltigungsprozess gegen den Wettermoderator Kachelmann geäußert. Haben Sie auch den Fall Strauss-Kahn beobachtet und können Sie etwas zu den Auftritten der angeblich von ihm vergewaltigten Hotelangestellten sagen?
Die Auftritte der Hotelangestellten wirkten auf mich exaltiert, die Aussagen insgesamt nicht konsistent. Die gesamte Selbstdarstellung ließ einvernehmlichen Sex vermuten, unabhängig von den Ergebnissen der kriminaltechnischen Untersuchungen. Eine professionelle Beobachtung habe ich aber nicht durchgeführt.

Ein Hauptteil ihrer Arbeit ist die Untersuchung von Droh-, Erpresser- und Mobbingbriefen. Was unterscheidet Männer und Frauen voneinander?
Die Inhalte von Frauen sind meistens emotionaler als die von Männern. Vereinfachend könnte man sagen: Frauen mobben und schmähen, Männer entführen und erpressen. Frauen haben übrigens ein viel größeres "Stehvermögen". Wenn jemand über Jahre hinweg anonym mobbt, dann wird es sich eher um eine Frau handeln. Ein Mann hält das in der Regel nicht durch. Auch gibt es einen frauentypischen Wortschatz, den unsere Datenbanken belegen: Doppelungen wie "ganz, ganz" und Wörter wie "Muttersöhnchen", "Lackaffe" oder - pardon - "schwanzgesteuert" sind typisch Frau. Last, but not least: Frauen können verbal viel härter auftreten als Männer. Eine wirklich plausible Erklärung dafür habe ich nicht. Hilfsweise führe ich das Kompensationsprinzip an: Frauen sind Männern in der Regel physisch unterlegen. Deshalb schlagen sie verbal umso härter zu.

Das Buch

Raimund Drommel ist Pionier der sprachwissenschaftlichen Kriminalistik: "Ich begehe gewissermaßen sprachliche Tatorte". In seinem Buch "Der Code des Bösen" (Heyne Verlag, 304 Seiten, 20,60 Euro) gibt der Experte für Erpresserbriefe und Terror-Ankündigungen Einblick in seine Methoden.

Obwohl das Internet den Verfassern Anonymität zu gewährleisten scheint, hinterlassen sie doch Spuren. Drommel entschlüsselt die DNA ihrer Sprache, die sich zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr bildet, mit einem Konkordanz-Programm im Computer. Es listet sämtliche Übereinstimmungen im Text auf. Das lässt Rückschlüsse auf Muttersprache, Alter, Geschlecht, Bildungsniveau zu, und ob der Schreiber zielorientiert ("Wir verlangen") oder problemorientiert ("Wir wollen nicht") ist.

Damit kann man den Kreis der Verdächtigen einschränken. Beim Sabotageakt in einer Firma mit 640 Mitarbeitern samt Bekennerschreiben hinterließ der Täter Spuren. Das Profil des Verfassers ergab Französisch als Muttersprache. Das traf auf vier Mitarbeiter zu, sodass man nur von diesen und nicht von allen 640 die Fingerabdrücke nehmen musste, um den Täter auszuforschen.

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