Die Doppelmoral um Zölibat und Keuschheitsgelübde

Die Doppelmoral um Zölibat und Keuschheitsgelübde
Mindestens 1000 der 4200 heimischen Priester leben in einer Beziehung. Die Kirche schaut weg und hält starr am Zölibat fest.
Die Doppelmoral um Zölibat und Keuschheitsgelübde

Der Pfarrer aus Stützenhofen." So könnte die Neuauflage des Filmklassikers "Die Dornenvögel" getitelt werden. Ein Dorf, ein homosexueller Pfarrgemeinderat, ein Pfarrer und als abschließender Höhepunkt seine Geliebte. Mehr braucht es nicht, der Skandal war perfekt. Seit sich Eva-Maria Mahrer aus Pressbaum (siehe Interview) als Ex-Geliebte des Weinviertler Geistlichen Gerhard Swierzek geoutet hat, kämpft die Kirche wieder einmal mit einem Glaubwürdigkeitsproblem. Während kirchenferne Menschen den Fall Stützenhofen noch als Posse betrachten, setzen sich jetzt gläubige Christen wieder mit einem der Kernprobleme in der katholischen Kirche auseinander.

Ist der Zölibat der zukunftsweisende Weg? Braucht es nicht doch Frauen als Priester oder verheiratete Pfarrer, um der Kirche neuen Schwung zu verleihen?

Das ist nicht neu. Denn seit einiger Zeit thematisiert eine Pfarrer-Initiative um den Kirchenrebellen Helmut Schüller genau diese Fragen. Denn sie wollen damit die Austrittswelle an Gläubigen und den Priesterschwund bekämpfen. Der österreichischen Amtskirche und sogar dem Papst ist zuletzt nichts anderes übrig geblieben, als sich mit den Anliegen zu beschäftigen.

Reformbedarf

"Und das ist längst notwendig gewesen. Es besteht dringendster Reformbedarf", poltert Kirchenkritiker Adolf Holl. Der Ex-Priester, Buchautor, Theologe und Club-2-Moderator weiß, wovon er spricht: "Bei mir haben sich die Frauen immer wohlgefühlt. Ich habe meine Beziehungen nie bereut." Diese liberale Haltung kostete Holl 1976 das Priesteramt in einem Wiener Arbeiterbezirk. Mehr denn je sieht der an der Uni-Wien dozierende Theologe den verordneten Zölibat als Bremsklotz: "Das Sexualleben ist Privatsache." Holl stichelt auch in Richtung konservative Kirchenfürsten: "Dass der Papst die Pfarrerinitiative rund um Helmut Schüller kürzlich offiziell angesprochen hat, gilt als enormer Erfolg für Schüller. Denn jetzt wissen sogar die Christen in Honolulu, dass in Österreich Kirchenrebellen für Reformen kämpfen."

Schüllers "Aufruf zum Ungehorsam" findet im Klerus immer mehr Sympathisanten. Hans Peter Hurka, Vorsitzender der Plattform "Wir sind Kirche" fordert seit Jahren die Aufhebung des Pflichtzölibats: "Die Priester sollen selbst entscheiden, ob sie in einer Beziehung leben wollen. Ich gehe davon aus, dass mindestens 1000 der 4200 Priester in einer Beziehung leben. Und Affären stehen an der Tagesordnung. Der Zölibat stellt sich gegen die Menschenwürde und ist immer schwerer zu akzeptieren. Auch unter den Gläubigen." Nachsatz: "Die Kirchen-Manager kehren die Problematik aber unter den Teppich und denken nicht daran, über Änderungen zu diskutieren. Das ist die pure Doppelmoral."

Priestermangel

Ähnlich argumentiert Paul Zulehner, Pastoraltheologe in der Erzdiözese Wien. Er möchte den Pflichtzölibat nicht überbewerten: "Dieses Thema ist ein Nebenschauplatz. Man muss allerdings darüber nachdenken, wie der Priestermangel in den Griff zu bekommen ist." Der Dompfarrer des Stephansdoms, Toni Faber, spricht über den Zölibat Klartext: "Man müsste schon blind durch die Gegend gehen, um hübsche Frauen und hübsche Männer nicht zu sehen. Man spielt auch mit dem Gedanken der Verlockung. Und das nicht nur in den Studententagen." Faber, bekannt für offene Worte und gerne gesehen in der Seitenblicke-Szene, stellt sich hinter den Zölibat: "Eine hohe Vorgabe. Jeder Gottesmann hat es sich selbst ausgesucht. Wir wissen aber, dass niemand perfekt ist."

Perversion

Die Doppelmoral um Zölibat und Keuschheitsgelübde

Bleibt die Frage, warum Priester auf Frauen (und Männer) so anziehend wirken? Psychologin und Psychotherapeutin Christa Pölzlbauer erklärt: "Das Verbot macht Pfarrer um eine Spur attraktiver. Es geht auch um Macht und Sozialprestige. Und für die Frauen ist es zusätzlich legal, die Kirche, also die Gottesmänner, zu umsorgen." Mit dem Zölibat geht die Psychologin schonungslos ins Gericht: "Das ist das Perverseste, was man Menschen antun kann. Beziehung und Sexualität sind doch eine der schönsten Bereiche des Lebens. Die verordnete Enthaltsamkeit ist widersinnig. Nur verklemmte kirchliche Machtpolitiker können daran festhalten."

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