Der Oslo-Effekt in Skandinavien

Der Oslo-Effekt in Skandinavien
Über den Umgang mit Populisten und extremen Rechten wird heiß diskutiert. Die Frage lautet: Isolation oder Dialog.

Seit dem Massaker in Oslo dominiert in skandinavischen Ländern besonders eine Frage die öffentliche Debatte: Wie sollen Parteien und die Gesellschaft mit Vertretern rechtsextremer und populistischer Parteien umgehen?

"Es gibt zwei Denkschulen: Isolation oder Dialog", sagt Spitzendiplomat Jan Eliasson, Schwedens Ex-Außenminister und Vorsitzender der Anna-Lindh-Stiftung (Schwedens beliebte Außenministerin Lindh wurde 2003 in einem Stockholmer Kaufhaus ermordet, Anm.).

Die rechtspopulistischen "Schwedendemokraten" , die bei der Parlamentswahl 2010 in Schweden knapp sechs Prozent der abgegebenen Stimmen bekamen und erstmals mit 20 Abgeordneten in das Parlament einzogen, wurden zunächst von Sozialdemokraten und anderen Parteien ausgegrenzt. Auch große Tageszeitungen boykottierten die Partei und lehnten ihre Inserate ab.

Akzeptanz

"Auf Basis unserer Überzeugungen und Argumente reden wir jetzt mit ihnen. Wir sind für die Diskussion mit Rechtsextremen. Die Gefahr besteht aber, dass man den Rechten dadurch eine Legitimation gibt", sagt der schwedische Sozialdemokrat Eliasson.

Neben dem Umgang mit Rechtsextremen beschäftigt die Menschen in den nordischen Ländern auch die Frage, was die Gründe für den Zulauf zu extremen Parteien sind. Globalisierung und Einwanderung werden dafür verantwortlich gemacht: "Unsere Regierungen sind hilflos gegenüber den Erwartungen der Bürger, weil viele Probleme gleichzeitig global und lokal sind", erklärt Eliasson.

Skandinavische Länder waren lange Zeit homogene Gesellschaften. Das hat sich geändert: "Zehn bis zwölf Prozent der Bevölkerung sind außerhalb des Landes geboren. Das führt dazu, die Gesellschaft in Eigene und Fremde zu teilen und Ausländer zu dämonisieren."

Eliasson, der viele Jahre für die UNO als Mediator in schweren Konflikten in Afrika gearbeitet hat, gibt zu, dass skandinavische Gesellschaften, wo es so gut wie keine Korruption und hohe soziale Standards gibt, "heute unter dem Druck rechtsextremer Parteien leiden".

Eine Folge der Attentate von Norwegen im Juli ist, dass Politiker in den nordischen Staaten nun besonders auf die Sprache achten. "Ein Wort ist ein Werkzeug, eine Waffe, eine Aktion."
Zu beobachten ist laut Eliasson auch ein "Zulauf zu Parteien links von der Mitte". Paradoxerweise erreichte der Attentäter genau das, was er zerstören wollte.

Gemäßigter Ton

Neueste Umfragen vor den dänischen Parlamentswahlen Mitte September bestätigen diese Aussage. Setzt sich der Trend fort, könnte es in Dänemark zu einem Regierungswechsel von der Mitte-rechts-Koalition zu Mitte-Links geben.

Sogar die rechtspopulistische Dänische Volkspartei tritt in ihrem Ton gemäßigter auf: Nicht mehr die Hetze gegen in Dänemark lebende Ausländer steht im Mittelpunkt des Wahlkampfes, sondern die innere Sicherheit, der Kampf gegen illegale Einwanderer und Kriminelle. Der starke Einfluss der Partei auf die Regierung hat zu neuen Grenzkontrollen im Schengen-Land Dänemark geführt.

Politiker in Skandinavien verlangen jetzt auch größeres Engagement der EU gegen rechtsradikale Tendenzen: Wenn die EU den Einfluss in der Welt behalten will, muss sie an der inneren Qualität der Gesellschaften arbeiten, heißt es in Kommentaren. Es müsse Arbeit für junge Leute geben, gleiche soziale Rechte für Migranten, wie den Zugang zu Schulen und Wohnungen.

Dazu betont der schwedische Ex-Außenminister Jan Eliasson: "Wir müssen uns immer mit dem schwächsten Glied in der Kette beschäftigen. Wenn ein Glied schwach ist, ist die ganze Kette schwach."

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