Der Kampf um die Köpfe hört nie auf

Der Kampf um die Köpfe hört nie auf
Das Gedenken ist wichtig, die dauernde Aufklärung aber entscheidend.

Die hoch emotionale Gedenkveranstaltung für die Opfer des Neonazi-Terrors in Deutschland war eine wichtige Geste, aber sie kann nur ein Anfang gewesen sein. Sollen die wohlgesetzten Worte ernst genommen werden, dann müssen sich Politik und Gesellschaft viele unangenehme Fragen stellen – und sicher nicht nur in Deutschland.

Mehr als zehn Jahre blieb die Mordserie des Zwickauer Terror-Trios unerkannt. Dabei benützten die Neonazis immer dieselbe Waffe. Aber im Kompetenzgewirr der Verfassungsschützer von Bund und Ländern, von Bundeskriminalamt und Polizeistellen fiel das offenbar niemandem auf. An der Aufarbeitung struktureller Schwachstellen arbeiten bereits drei Untersuchungsausschüsse.

Nachzugehen ist auch der Frage, ob die Sicherheitsbehörden auf dem rechten Auge blind waren oder sind. Und welche Rolle ihre in die Nazi-Szene eingeschleusten V-Leute spielen. Tappten die Ermittler in die eigene Vorurteilsfalle, als sie die Mordopfer anfangs dem Drogenmilieu zuordneten und Angehörige verdächtigten? Wurden Beweise unterdrückt, um Spitzel zu schützen?

Hintermänner

Bei der Suche nach den Hintermännern und Sympathisanten der Zwickauer Killer ist nicht nur die Politik gefragt. Zur „Verrohung des Geistes“, vor der Kanzlerin Merkel am Donnerstag eindringlich warnte, tragen alle bei – durch achtlose Fremdenfeindlichkeit im Alltag, durch Intoleranz und gleichgültiges Wegsehen, wenn Menschenrechte verletzt werden.

Der Verfassungsschutz ordnet der rechtsextremen Szene in Deutschland derzeit etwa 25.000 Personen zu. Und die sind hoch aktiv, gehen auf die Straße, ködern junge Leute im Internet. Ihre politischen Vertreter geben sich handzahm, aber ihre Botschaft treibt Hasskeile in die Gesellschaft, spielt Gruppen gegeneinander aus.

Die Auseinandersetzung mit dieser Gefahr zwingt dazu, sich der oft schon zu selbstverständlich gewordenen und damit verblassten demokratischen und humanen Werte wieder bewusst zu werden und sie den Feindbild-Malern entgegenzuhalten. Dass sich Merkel bei den Angehörigen der Opfer für das Versagen des Staates entschuldigt hat, war ein großer Moment. Der Kampf um die Köpfe der Menschen aber ist eine nie endende Aufgabe.

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