Der Alltag läuft wie geschmiert

Der Alltag läuft wie geschmiert
Die Bestechung beginnt bei einer Flasche Wein aus dem Supermarkt und zieht sich bis in höchste Kreise.

Der Herr Rat war ganz aus dem Häuschen. Noch nie wollte ihn jemand beschenken. Nur einmal war er im Gerichtssaal von einem Zeichner, gegen den er hatte verhandeln müssen, porträtiert worden, und der Künstler hatte sein Werk dann liegen gelassen. Das ist noch keine Bestechung.

Aber eine Wienerin, die beim neunten Ladendiebstahl erwischt worden war, wollte den Richter mit einer Flasche Wein aus dem Supermarkt gnädig stimmen. Er wies ihr die Tür, der vorbestraften Frau trug es vier Monate hinter Gittern ein.

Jeder zehnte Österreicher gibt zu, Schmiergeld zu zahlen. Und jeder dritte Angestellte eines Konzerns hält die Korruption für üblich. Sie zieht sich von Alltäglichkeiten bis in höchste Kreise, und damit sind nicht nur die bekannten Politiker und Lobbyisten gemeint.

Kiste Bier

Ein Polizist steckt hinter den Scheibenwischer eines Parksünders statt eines Strafmandats einen Zettel: "Kostet 1 Kiste Bier." Wegen eines Polizei-Wimpels im Wagen hatte er auf einen Kollegen getippt. Irrtum. Der Lenker bringt tatsächlich eine Kiste Bier ins Wachzimmer, die Sache fliegt auf, der Beamte bekommt 7200 Euro Geldstrafe.

Ein Tiroler Polizist verrät der Betreiberin eines "Entspannungsstudios", in dem er selbst gern verkehrt, bevorstehende Razzien und wird zu sechs Monaten bedingt verurteilt. Bei der Sanierung einer Krankenhaus-Einfahrt bleiben Pflastersteine über. Sie verschwinden nach und nach und tauchen später in den Villen-Zufahrten mehrerer Ärzte wieder auf.

Ein inzwischen pensionierter Leitender Staatsanwalt schickt sein Strafmandat, das er wegen des Ignorierens einer Stopptafel bekommen hatte, einem inzwischen verurteilten
hohen Polizeigeneral und findet da gar nichts dabei.

Ein Gerichtspräsident teilt seine Gerichtssekretärin auf Staatskosten für private Schreibarbeiten in seiner Tanzsport-Nebentätigkeit ein und wird mit gekürzten Bezügen in den Ruhestand geschickt.

"Hier Geld, da Leistung, das kommt in der Praxis so nicht vor", sagt der Korruptionschefankläger Walter Geyer: Der Zusammenhang zwischen einem Amtsgeschäft und einer Zuwendung sei schwer zu beweisen. Außerdem weist das Antikorruptionsgesetz Lücken auf: Geschenke für pflichtgemäße, also korrekte Amtsgeschäfte sind nur strafbar, wenn sie gegen das Dienstrecht verstoßen. Duldet dieses Einladungen zu Abendessen, dann darf man sie annehmen.

Die Spitzen der Verwaltung, Bürgermeister oder Minister, haben jedoch kein Dienstrecht, laut Geyer ist das "ein ziemlicher Freibrief". Auch die Bestechung in Privatunternehmen ist strafbar. Doch bis jetzt ist bei den Korruptionsstaatsanwälten keine einzige derartige Anzeige eingegangen.

Erst gar nicht behelligt wurden die Ankläger mit Ermittlungen gegen 696 Polizisten, die von Transportfirmen dafür geschmiert wurden, dass es mit dem Tempolimit nicht so genau genommen wird (wie der Falter aufdeckte). Das Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit oder Verjährung eingestellt.

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