Chiles Protest wird zur Massenbewegung

Seit Monaten protestieren die Chilenen gegen die Bildungssituation im Land. Präsident Piñera stemmt sich gegen ein kostenloses System.

Mit Pfannenschlagen wie einst unter Diktator Augusto Pinochet wollen Tausende junge Chilenen auf sich aufmerksam machen. Seit zwei Monaten protestieren sie jeden Donnerstag gegen die fatale Bildungssituation im Land. Ihre Hauptforderung ist ein gebührenfreies, staatliches Bildungssystem.

Verliefen die Proteste anfangs friedlich, so kommt es seit der Vorwoche vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Demonstranten und der Polizei. Bisher gab es etwa 1900 Festnahmen und mehr als 300 Verletzte.

Auch nach Ende der Militärdiktatur 1989 änderten die gewählten Regierungen nichts an dem unsozialen Bildungssystem, das von privaten Schulträgern dominiert wird. Der rechtskonservative Staatschef Sebastián Piñera bot den Demonstranten am Donnerstag zwar über Twitter Gespräche an, stellte aber klar: "Nichts ist gratis im Leben." Eine klare Absage an die Hauptforderung der Studenten. Rund 80 Prozent der hohen Schul- und Studienkosten in Chile müssen derzeit die Familien selbst tragen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung kann sich die Kosten für ein Universitätsstudium nicht leisten; viele Studenten starten mit hohen Schulden ins Berufsleben. Höhere Bildung ist in Chile damit zur Klassenfrage geworden.

"Viele der Demonstranten sind die erste Generation in ihrer Familie, die zur Uni geht", sagt Leslie Wehner vom GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien zum KURIER. "Ihre Eltern wollten eine bessere Zukunft für sie. Doch nun erkennen die Studenten, dass sich selbst mit einem Uni-Abschluss ihre Lage kaum ändert. Die Einkommensverteilung ist zu unterschiedlich."

Unterstützt werden die Schüler und Studenten mittlerweile von Professoren, Lehrern, ihren Familien - und vielen Chilenen, die selbst unter den harten Lebensbedingungen stöhnen. Die Pfannen hört man nicht nur in Armenvierteln, sondern überall in der Hauptstadt Santiago. Es ist die größte Protestwelle seit Jahrzehnten. Piñeras Umfragewerte stürzten auf das Rekordtief von 26 Prozent ab.

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