Causa Kampusch: Staatsanwälte "nicht verhabert"

Causa Kampusch: Staatsanwälte "nicht verhabert"
Das FBI hat seine Arbeit in Wien aufgenommen. Derweil geschehen im Hintergrund merkwürdige Dinge.

Ein abgeriegelter Raum in Wien ist die Geheimzentrale für die Aufarbeitung eines der rätselhaftesten Fälle der jüngeren Kriminalgeschichte – der Fall Natascha Kampusch.

270.000 Seiten Aktenmaterial. Agenten des FBI und ein Beamter des deutschen BKA sollen jene brisanten Aspekte unter die Lupe nehmen, die ein parlamentarischer Unterausschuss dokumentiert hat – es geht vor allem um die Frage nach möglichen Mittätern von Entführer Priklopil und um etwaige nicht verfolgte Spuren. Gelenkt und begleitet werden die Spezialisten u. a. von hochrangigen österreichischen Beamten – darunter pikanterweise der Sektionschef des Justizministeriums, Christian Pilnacek. Jener hatte Ende 2011 die verantwortlichen Staatsanwälte verteidigt und gemeint, "es gibt nichts mehr, was man noch machen könnte".

Doch es ist nicht nur diese seltsame Optik, die befremdlich anmutet.

Not amused

Causa Kampusch: Staatsanwälte "nicht verhabert"
Die echte Natascha Kampusch - nach ihrer Flucht im Jahr 2006 begann ihr Leben von Neuem.

Ein Anruf im Justizministerium: "Kann mit jenem Rechtsschutzbeauftragten gesprochen werden, der Ende 2011 mit der Prüfung des Amtsmissbrauchsverfahrens gegen fünf hochrangige Staatsanwälte in Zusammenhang mit der Causa Kampusch beauftragt wurde?" Antwort: "Nein".

Ob im Justizministerium jemand über die Prüfung des brisanten Falles durch den Rechtsschutzbeauftragten etwas sagen könne? Antwort: "Wir melden uns." Tatsächlich erfolgt Minuten später der Rückruf. Doch es ist kein Ministeriumsbeamter, der Auskunft gibt, sondern seltsamerweise Kurt Spitzer, der Oberstaatsanwalt aus Innsbruck. Er und seine leitende Staatsanwältin Brigitte Loderbauer haben ein Amtsmissbrauchsverfahren gegen fünf im Fall Kampusch verantwortliche Staatsanwälte (sie sollen wesentliche Ermittlungserkenntnisse ignoriert haben) geleitet und stellten ihnen am Ende einen Persilschein aus.

Spitzer zeigt sich über die KURIER-Recherchen not amused und dennoch sehr gesprächig. Er versucht zu argumentieren, warum alles ordnungsgemäß abgelaufen sei. "Für einen Amtsmissbrauch bedarf es der Wissentlichkeit", erklärt der Innsbrucker Oberstaatsanwalt, der sich gegen den Eindruck verwahrt, die führenden Staatsanwälte würden einander schützen. "Wir sind nicht verhabert."

Auch hält Spitzer die Zeugin der Entführung für nicht glaubwürdig genug, obwohl diese bis heute schwört, sie habe zwei Männer im Entführungsfahrzeug gesehen. Ein der Mittäterschaft Verdächtiger hat in polizeilichen Befragungen gelogen und wurde von allen Seiten als höchst unglaubwürdig eingestuft. Warum der Mann als möglicher Komplize nie belangt wurde? Spitzer: "Ich war in die Ermittlungen nicht involviert: Aber es hat sich offenbar nichts nachweisen lassen. Was hätte man tun sollen – den Mann foltern, bis er etwas zugibt?"

Besagter Mann wurde übrigens von der Justiz nie einvernommen.

Kurt Spitzer mokiert sich auch über den parlamentarischen Unterausschuss, der den Staatsanwälten schweres Versagen attestierte und Justiz sowie Innenressort empfahl, den Fall von ausländischen Experten evaluieren zu lassen. In einem offiziellen Schreiben hält Spitzer fest, das Kommuniqué der Politiker enthalte "kein Tatsachensubstrat".

Überdies habe der von der Justiz eingesetzte Rechtsschutzbeauftragte am 5. Juli schriftlich vermerkt, dass er keinen Grund für einen Fortführungsantrag des Verfahrens beantragen werde. Interessant: Spitzers Schreiben zu dieser so heiklen Causa ist mit 4. Juli datiert, also einen Tag bevor der Rechtsschutzbeauftragte angeblich seine Erkenntnis festhielt. Spitzer: "Da habe ich mich wohl im Datum geirrt."

Auch bemerkenswert: Der Chefankläger gibt zu, dass die entscheidende Gegenüberstellung zwischen Kampusch und der Tatzeugin vom Dezember 2009, die letztlich zur Einstellung des Verfahrens führte, nicht rechtskonform abgelaufen sei. Kampusch und der Tatzeugin hätten ihre davor getätigten Aussagen vorgehalten werden müssen. Was nicht geschah. Amtsmissbrauch sei dies laut Spitzer keiner. Und überhaupt: Es gebe keine Beweise für Mittäter am Verbrechen. Nachsatz: "Wenn Sie Beweise haben, dann bitte her damit."

Brisant: Staatsanwältin angezeigt
Rechtsstreitigkeiten Ludwig Koch, Vater von Opfer Natascha (Bild oben), hat einen Freund des toten Täters Priklopil angezeigt – der Freund sei Mittäter bzw. Mitwisser gewesen. Koch fordert Schadenersatz, der Prozess beginnt demnächst. Ein weiteres Rechtskapitel: Karl Kröll, Bruder des Chefermittlers im Kampusch-Fall, der 2010 unter mysteriösen Umständen starb, hat laut KURIER-Informationen die Anwaltskanzlei von BZÖ-Mandatar Ewald Stadler beauftragt, die Innsbrucker Staatsanwältin Brigitte Loderbauer anzuzeigen. Der Vorwurf: Amtsmissbrauch und Begünstigung. Krölls Anwälte urgierten, der Fall möge bei einer nicht befangenen Behörde landen. Der Fall landete in Innsbruck.

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